Über lange Zeit hinweg war es eindeutig: Die Rede von einer «Berufung» bezieht sich auf den Eintritt in einen geistlichen Stand – auf die Entscheidung also, Priester oder Mitglied einer Ordensgemeinschaft zu werden – sowie auf die ihm vorangehenden Prüfungs- und Abwägungsprozesse. Durch eine solche inhaltliche Bestimmung gewinnt der Berufungsbegriff fraglos eine klare Kontur. Zugleich steht er damit aber auch in der Gefahr eines Elitarismus oder Klerikalismus, der alle Lebenswege jenseits der Wahl eines geistlichen Standes wenigstens indirekt abwertet und der gläubigen Selbstreflexion entsprechender Lebenswege jedenfalls das spirituelle Inventar des Berufungsgedankens verschließt. Auch gegenüber der mit dem traditionellen Konzept implizit angenommenen Reduzierung von Berufung auf eine einzige Weichenstellung im Leben – eben die der Berufs- bzw. Standeswahl – können mit guten theologischen Gründen Anfragen erhoben werden.
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