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Herausgeber und Redaktion
JOACHIM HAKEJoachim Hake
Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V.
URSULA SCHUMACHERUrsula Schumacher
Professorin für Dogmatik an der Universität Luzern
JAN-HEINER TÜCKJan Heiner Tück
Professor für dog-
matische Theologie, Universität Wien
Herausgeber und Redaktionsbeirat stellen sich vor.
Lesermeinung von
Anton SvobodaAnton Svoboda,
Dipl.-Theologe, Musiker

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Leseprobe 3
John Webster
SUB RATIONE DEI
Zum Verhältnis von Theologie und Universität
I.

Christlicher Glaube spricht über das Wesen theologischer Vernunft, über die Universität und über den Platz der Theologie an Universitäten, indem er über Gott spricht. Sein Verständnis von Theologie und Universität stellt für den christlichen Glauben eine Erweiterung des eigenen Wissens davon dar, dass die grundlegende und umgreifende Realität aller kreatürlichen Akte und Ausdrucksformen des Lebens der dreieine Gott in seinen äußeren Werken ist. Die Unternehmungen der Theologie und die Universität als eine Form gemeinschaftlicher intellektueller Anstrengung müssen beide in Bezug auf Gottes schöpferische, providentielle, versöhnende und vervollkommnende Handlungen verstanden werden sowie hinsichtlich der begleitenden göttlichen Unterweisung, durch welche diese Handlungen erhellt werden. In diesen Handlungen schafft und erhält Gott eine vernünftige Gemeinschaft mit Adams Geschlecht. Er stellt diese Gemeinschaft wieder her und vollendet sie, nachdem die Geschöpfe ihre Berufung verraten und sich in Schuld, Entfremdung, Elend und Ignoranz verstrickt haben. Theologie und Universität haben Anteil an der unvollendeten Erlösungsgeschichte der menschlichen Vernunft.

Entsprechend handelt es sich bei der Bestimmung des Ortes der Theologie an der Universität nicht um die Aufgabe einer Korrelation von zwei Sphären der Wirklichkeit, die ganz getrennt wären, einer heiligen und einer profanen. Eine Korrelation setzte voraus, dass die Institution der Universität aus dem Bereich herausfällt, in welchem die theologische Darstellung zu ihrer berechtigten Ausführung kommt und vergisst dabei den Geltungsumfang der Vernunft des Glaubens, deren Spannweite alle Dinge sub ratione Dei umschließt. Die Reflexion über den Ort der Theologie an der Universität erfordert eine biblisch-theologische Darstellung, d.h. eine Theologie der Theologie und eine Theologie der kulturellen Akte und Institutionen der civitas terrena. Eine theologische Untersuchung dieser beiden Realitäten – der Bewegung der theologischen Vernunft und der Bewegung menschlicher, intellektueller Vereinigung in der Universität – versteht beide als kreatürlich. Eine kreatürliche Realität zu untersuchen bedeutet nicht nur, ihre phänomenalen Eigenheiten zu beschreiben, sondern, den Versuch zu unternehmen, ihre Tiefe zu durchdringen, ihren Bezug zur Quelle ihres Seins, ihre bewegende Kraft und ihr Ziel außerhalb ihrer selbst zu suchen. Theologie fragt: Durch welche göttliche Absicht und Bewegung werden der Geist und die Gesellschaft angestoßen? Inwiefern entsprechen diese kreatürlichen Bewegungen der guten Absicht des Schöpfers und dem Wesen, das ihnen gegeben ist? In welchem Maß vollziehen oder verfehlen sie dieses Wesen? Wie können ihre Unvollkommenheiten behoben, wie kann ihr Wachstum gesichert werden?

Wenn die Theologie das Wesen und den Zweck der theologischen Vernunft und der Universität in deren Beziehung zu Gottes Geschichte mit seiner Kreatur in den Blick nimmt, folgt sie in ihrer Analyse Prinzipien und ist bestrebt, die Wesenskerne und Zwecke offen zu legen, indem sie zu den principia kreatürlicher Lebens- und Handlungsformen vordringt. Denn geschaffene Dinge können nicht in se und per se begriffen werden, sondern nur in Bezug auf Gott als causa universalis totius esse.

Eine prinzipientheoretische Analyse menschlicher Handlungen und Institutionen ist allerdings in Ungnade gefallen, wird mal als schlicht utopisch angesehen, mal als Ablehnung der Selbstursprünglichkeit dieser Handlungen und Institutionen zurückgewiesen, da sie Gefahr läuft, deren Anpassungsfähigkeit zu behindern. Das Gegenteil ist wohl eher der Fall. Eine prinzipientheoretische Analyse hemmt die unkritische und verengte Denkweise über intellektuelles Leben und seine sozialen Ausdrucksformen, welche gegenwärtig vorherrschende, politisch gebotene Vereinbarungen als gegeben und immerwährend annimmt.

Dieses Denken könnte dadurch entzaubert und neu belebt werden, dass praktische und erfahrungsbasierte Elemente in dem tieferen Zusammenhang ihrer prinicipia verortet würden: denn sich extrinsischer Ursachen und Zwecke bewusst zu werden, bedeutet, sich die Freiheit anzueignen, gegenwärtige Umstände beurteilen zu können.

II.

Was ist christliche Theologie? Hier wird eine mögliche Antwort vorgestellt – anfechtbar zwar, jedoch nicht ohne sehr anerkannte Vorläufer in der christlichen Tradition.

a.) Christliche Theologie ist ein Werk kreatürlicher Vernunft im Raum der reichen Gnade Christi; unter dem Eindruck göttlicher Unterweisung, Züchtigung und Heiligung widmet sie sich dem Studium Gottes und aller Dinge in Gott. Theologie ist ein unmittelbarer und genuiner Ausdruck von Religion, d.h. ein Unterfangen, das in Beziehung zu Gott steht: «Wir müssen uns an Gott als unser unerschöpfliches Prinzip binden; wir müssen ihn unentwegt als unser letztes Ziel wählen; und wenn wir ihn durch die Achtlosigkeit der Sünde verlieren, sollten wir ihn durch das Vertrauen und Bekenntnis unseres Glaubens wiedergewinnen.» Christlicher Theologie geht es nicht einfach darum, über die christliche Religion nachzudenken; sie ist selbst ein Werk der Religion. Genauer, Theologie ist als Religion ein Akt intellektueller Gerechtigkeit durch welche die intelligente Kreatur Gott in seiner überragenden Vollkommenheit die gebotene Ehre erweist. Sie ist auch ein Akt der Heiligkeit, denn «durch Heiligkeit richtet der Mensch sich und seine Handlungen auf Gott aus.» Christliche Theologie ist ein Werk der latria und der sanctitas.

Der vornehmliche Akt der Theologie ist besonnener Lerneifer, die genaue Anwendung der Vernunft im Bezug auf geeignete Objekte, in geeigneter Weise und für geeignete Zwecke. Diese Vernunftanwendung kann entsprechend ihrem Objekt, ihren kognitiven Prinzipien, ihrem Kontext und ihren Zwecken dargestellt werden.

b.) Das Objekt der Theologie ist Gott und alle Dinge in Gott. Theologie befasst sich hauptsächlich mit dem trinitarischen Gott, zunächst mit seiner immanenten Wirklichkeit, mit seinem überreichen und vollkommenen Leben als Vater, Sohn und Heiliger Geist und schließlich mit seinen heilsökonomischen Werken, den Sendungen des Sohnes und des Geistes, welche die Absicht des Vaters bewirken. Daraus leitet sich das Interesse der Theologie für die geschaffenen Dinge ab, für jene Realitäten, denen Gott die Gabe des Lebens geschenkt hat. Die Theologie interessiert sich für die geschaffenen Dinge nicht einfach aufgrund ihrer natürlichen Eigenheiten, sondern hinsichtlich ihrer Beziehung zu Gott. Der Grund dieser Beziehung liegt in Gottes entschiedener Liebe, ihr Ablauf in den Werken der Natur und der Gnade, die in den versöhnenden und vollendenden Werken Christi und des Heiligen Geistes kulminieren und ihre Erfüllung in der Wiederherstellung der vollständigen Gemeinschaft von Schöpfer und Geschöpf finden. Theologie ist deshalb zugleich eine höchst partikulare, wie auch eine höchst umfassende Wissenschaft: Ihre Vernunft widmet sich dem Studium des Einen, von dem sich alle Dinge ableiten und von dem alle Dinge abhängen.

c.) Die kognitiven Prinzipien der Theologie sind Gottes überragende Vernunft, durch die er uneingeschränktes Wissen seiner selbst und aller Dinge besitzt und die endliche, kreatürliche Vernunft, die durch göttliche Unterweisung zur Erkenntnis gelangt. Gottes Wissen ist das primäre kognitive Prinzip der Theologie. Dieses Wissen ist unbegrenzt und einfach, ein einziger Akt der Intuition, in dem es kein Zur-Erkenntnis-Kommen gibt. Dieses göttliche Wissen ist das Prinzip der theologischen Wissenschaft. Das primäre kognitive Zentrum der Theologie liegt demzufolge außerhalb ihrer selbst in der göttlichen Allwissenheit, nicht im Bereich irgendeines bestehenden Wissens, welches das Geschöpf vorspiegeln könnte oder eines Leistungsvermögens, welches die Kreatur besitzen könnte. Die Theologie verdankt sich dem Umstand, dass die Dinge von Gott erkannt sind und sie bleibt nicht stehen bei der einmal erlangten oder antizipierten Wissensaneignung durch die Kreaturen.

Durch dieses Bezogen-Sein auf das vorausliegende, unendliche göttliche Wissen ist die Theologie eine eigentümliche Wissenschaft – eine nachgeordnete beziehungsweise untergeordnete Wissenschaft, deren kognitives Prinzip ihr nicht nur äußerlich ist, sondern auch unbeweisbar (moderne Denkformen sehen darin in der Regel eine fatale Schwäche). In der Theologie spiegelt die Ordnung des Wissens die kausale Ordnung der ontologischen Abhängigkeit der Geschöpfe von ihrem Schöpfer wider: Zu wissen bedeutet, durch die Wirkung Gottes zu wissen, was zuvor vollständig von ihm gewusst wurde. Die theologische Vernunft ist nicht Ursache, sondern Wirkung.

Zudem ist Gottes intellektuelle Natur eine transitive und kommunikative. In grenzenloser Barmherzigkeit unterweist Gott die Geschöpfe und bringt sie dazu, den zu kennen und deshalb zu lieben, von dem sie gekannt und geliebt sind. Dies vollbringt er durch die offenbarenden Sendungen seines Wortes und Geistes. «Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit» gibt «den Geist der Weisheit und Offenbarung damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht [...]» (Eph 1, 17f). Diese Sendungen werden durch geschöpfliche Mitarbeit unterstützt: allem voran durch die prophetischen und apostolischen Schriften, in denen die göttlichen Unterweisungen eine biblische Form annehmen; weiterhin auch durch jene, die entsprechend beauftragt sind, die Gemeinde der Gläubigen durch Wiederholung und Anwendung der göttlichen Lehre zu unterweisen. Die Offenbarung wird durch die Erleuchtung begleitet: jenes Werk, durch welches Gott als Heiliger Geist die kreatürliche Vernunft belebt und sie befähigt, die göttliche Unterweisung zu empfangen und sich anzueignen.

Die kreatürliche Vernunft als das subjektive Erkenntnisprinzip der Theologie ist geschöpfl ich: Sie besteht aus einer Reihe von Fähigkeiten, die durch Gott verliehen wurden und durch deren Gebrauch eine vernunftgemäße Gemeinschaft mit Gott seitens des Geschöpfes ermöglicht wird. Diese Fähigkeiten müssen in der Tat zur Anwendung kommen; kreatürliche Vernunft ist nicht nur bloße Rezeptivität oder die Abwesenheit jeder Behinderung. Da diese Fähigkeiten jedoch geschaffene Kräfte sind, ist ihr notwendiger Gebrauch allerdings nicht ganz spontan; sie werden durch eine vorausgehende göttliche Bewegung anwendbar und wirksam erhalten. Der Geist bewegt die kreatürliche Vernunft dazu, ein aktiver Gleichgestellter des allmächtigen, allgegenwärtigen Gottes zu werden.

d.) Die Ökonomie der Gnade bildet den Hintergrund der Theologie und durch sie führt Gott die Geschöpfe zu ihrer Erfüllung. Theologie ist nicht einfach ein Bestandteil der Naturgeschichte menschlichen Suchens. Sie ist ein Teil der Sphäre der Erlösungswirklichkeit von Evangelium, Kirche, Taufe, der Heiligung des Menschen und der Anrufung Gottes. Deshalb hat die Theologie Anteil am Übergang von der Entfremdung hin zur Gemeinschaft mit Gott. Hierin liegt das primäre Anzeichen dafür, dass in den Handlungen der geschaffenen Geschichte sichtbar wird, dass sie durch Gottes versöhnende Absicht in den Bann genommen wurden. Die Entfremdung von Gott bringt Verderbtheit und Schwächung der natürlichen Geistesgaben mit sich, von welchen die Ignoranz gegenüber Gott und die Idolatrie herrühren sowie die eitle Zuversicht, dass die Betrachtung der natürlichen Eigenheiten und Bewegungen ausreichend sei für die Erkenntnis der geschaffenen Dinge.

Im Raum der Erlösungswirklichkeit ist die Entfremdung überwunden: objektiv in der Inkarnation und im Paschamysterium, praktisch in der Erneuerung und Heiligung der Geschöpfe durch den Geist, an welcher die theologische Vernunft Anteil hat.

e.) Das Ziel der Theologie ist kontemplativer und praktischer Art. Prinzipiell ist ihr Ziel die Kontemplation Gottes, denn eine solche Kontemplation ist das Ziel der vernünftigen Geschöpfe: «Wir werden ihn sehen, wie er ist» (1 Joh 3, 2). In ihrem ganzen Forschen – dem textlichen, historischen, dogmatischen und moralischen – bewegt sich die Theologie auf dieses Endziel hin wie auf einen Akt kontemplativer Vernunft. Dadurch wird die Arbeit der Theologie in keinster Weise weniger eine Arbeit des Intellekts und der Theologe wird hierdurch auch nicht von den Anstrengungen des Studiums dispensiert. Vielmehr werden diese Praktiken dadurch über eine bloße Akkumulation von textlichem, historischem, dogmatischem und moralischem Wissen hinausgeführt. Ein solches Wissen ist reizvoll für die theologische Vernunft, es befriedigt den Geist und die spirituellen Affekte und seine Aneignung ist ein Anlass zur Freude. Einmal angeeignet jedoch, ist mit diesem Wissensbestand die Arbeit der theologischen Vernunft nicht an ihr Ende gelangt. Es ist vorläufig und abdingbar und sein rechter Gebrauch besteht in der Ausbildung und Führung des Geistes hin zu dessen kontemplativem Zugang zu Gott, der Anfang und Ende aller Dinge ist. In contemplatione principium, quod Deus est, quaeritur.

Die Kontemplation treibt die Praxis an und ordnet sie. Das praktische Ziel der Theologie ist ein Dreifaches: Erstens: das rechte Verhalten in Beziehung zu Gott (in den Ausdrucksformen der Religion, sowohl in der inneren Hingabe als auch in äußerer Verehrung) und in Beziehung zu unseren Nächsten (in Werken der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit). Theologische Vernunft ist untrennbar von asketischer und moralischer Bildung, sonst ist sie Selbstbetrug (Jak 1, 22). Zweitens: die Unterweisung, denn der Theologe ist in den Leib der Getauften gestellt, wo die Gaben, die einem gegeben sind, kommuniziert werden müssen «damit sie den anderen nützen» (1 Kor 12, 7). Drittens: das Zeugnis, denn der Theologe ist auch unter jene gestellt, die noch nicht zur Gefolgschaft der Gläubigen gehören, er teilt mit ihnen die Gnaden und Lasten der Kreatürlichkeit und ist durch die Barmherzigkeit verpflichtet zur apostolischen Empfehlung der guten Güter des Evangeliums.

III.

Theologie ist also das Werk einer frommen Vernunft, deren Fundament und erster Beweggrund Gottes liebende Vermittlung seines Selbstwissens an die Heiligen darstellt, deren Ziel wiederum die Schau Gottes ist. Weil sie nur per accidens eine akademische Disziplin ist, mag es scheinen, dass die Bestrebungen der Theologie nur religiösen studia entsprechen. Diese Schlussfolgerung ist voreilig. Die Absonderung der irdischen von der himmlischen Stadt mag das Bedürfnis befriedigen, Reinheit in der gegenwärtigen Praxis sichtbar zu machen, dies aber um den Preis der Ungeduld mit dem unvollendeten und zwiespältigen Zustand der Geschichte. Des Weiteren verurteilt eine solche Ungeduld vorschnell vorläufige Formen natürlichen Lebens als Säkularität und vergisst dabei, danach zu fragen, in welcher Weise diese das Reich Gottes möglicherweise antizipieren – und es nicht einfach zunichtemachen. Eine Theologie der Universität ist von Nöten, die differenzieren hilft, zwischen solchem universitärem Leben, das förderlich ist für das Wachstum kreatürlicher Vernunft und dem Streben nach ihren eigenen Zielen, wie sie der christliche Glaube versteht – und solchen Formen universitären Lebens, die dies verhindern.

Für die Theologie als Ausdruck von Religion hat dies zur Folge, dass weder eine prinzipielle Zugehörigkeit, noch der prinzipielle Rückzug aus der Universität von Nöten sind, sondern vielmehr die Übung in Klugheit, durchdachtem Urteil und eine Unterscheidung der Anlässe und Möglichkeiten.

Wie könnte die Universität verstanden werden? Geschöpfliche Vernunft ist ein sehr großes Gut; sie macht wesentlich die spezifische Art und Weise aus, in welcher menschliche Geschöpfe sich auf Gott und den Rest der Schöpfung beziehen. Geschaffene Vernunft ist diskursiv; wir erwerben Wissen nicht durch Intuition, sondern im Laufe der Zeit. Etwas zu wissen setzt den Prozess des Zur-Erkenntnis-Kommens voraus und erfordert Arbeit. Die Funktionsweisen kreatürlicher Vernunft vollziehen sich in Beziehung zu volitiven, affektiven und körperlichen Bereichen der menschlichen Natur. Diese anderen Bereiche unterstehen regelrecht der Verstandeskraft, so dass sie dem Zweck der Vernunft dienen. Aber diese Beaufsichtigung ist weder ein natürlicher Zustand, noch vollzieht sie sich instinktiv; sie geschieht nur willentlich durch die bewusste Ausübung der Aufsicht. Durch unseren Fall in die Ungerechtigkeit ist dies mühsam geworden, denn die rechte Ordnung der Bereiche der menschlichen Natur ist gestört und durch Leidenschaft und körperliche Bedürfnisse können der Vernunft die Zügel aus der Hand gleiten. Die Vernunft ist auch durch die Sünde verletzt, ihre Funktion ist beeinträchtigt und sie neigt zu Sünden des Übermaßes (Neugier) oder Sünden der Ermangelung (Trägheit). Die Ungerechtigkeit hat jedoch nicht das letzte Wort: Neben all diesen Elementen der kreatürlichen Natur ist die Vernunft auch durch Gottes wiederherstellendes Werk aufgerichtet. Eine christliche theologische Darstellung der menschlichen Natur schließt eine Soteriologie der Vernunft mit ein, welche die Zuversicht hat, dass unsere ruinierte intellektuelle Natur unter der Gnade des Heiligen Geistes bereits im Begriff ist, wiederhergestellt zu werden.

Die Ausbildung und Ausübung der wiederhergestellten Vernunft ist folglich komplex. Ihr primäres Subjekt ist der Heilige Geist, der Gottes versöhnendes Werk in den Elementen der geschöpflichen Natur realisiert. Ihre sekundären Subjekte sind, zuerst, das Individuum: der Heilige Geist bewegt die geschaffene Vernunft dazu, sich selbst zu bewegen. Diese kreatürliche Bewegung ist das eigene und unveräußerliche Werk des Individuums, denn niemand kann an meiner Stelle erkennen. Doch auch wenn das Werk der Vernunft dem Individuum zu eigen ist, ist es dabei doch nicht ganz auf sich gestellt, denn es ist notwendig in Formen sozialer Beziehung eingebettet. Diese Formen schließen Tradition (Bildungsschatz, altbewährte Untersuchungsgewohnheiten), Unterweisungsarten oder die Exemplifizierung intellektueller Tugenden mit ein. In all diesen Formen operiert die Vernunft in der Gesellschaft anderer. Diese sozialen Elemente können die institutionelle Form einer Schule annehmen oder die eines studium, einer formalen Vereinigung von Personen zum Streben nach dem Leben der Vernunft. Die Universität ist ein Beispiel dieser Formen. Das Leben der Universität als studium kann schematisch in drei Elemente untergliedert werden: Studieren, Unterricht und Bildung.

Studieren ist das kontemplative Element der Universität. Studieren ist «genaue geistige Anwendung auf etwas»; es ist nicht notwendigerweise genaue geistige Anwendung auf etwas Neues. Studieren ist nicht gleichbedeutend mit Forschen, das mit der Aneignung von neuem Wissen zu tun hat. Studieren kann die Anwendung von Vernunft zur Aufnahme dessen sein, was bereits gewusst wurde, d.h. zur Einwohnung der Tradition. Ein Studieren dieser Art ist weit davon entfernt, sich in passiver Konformität zu erschöpfen; es ist eine «Darbietung» von Tradition, weder ganz spontan und ursprünglich noch ganz ohne Aneignung. Solches Studieren formt das Vermögen, zu verstehen und zu urteilen, was wiederum der Entdeckung von Neuem dient. Nur in abgeleiteter und sekundärer Form ist Studieren auf den Zweck des leiblichen Wohlergehens ausgerichtet. Diese Aussage soll nicht die Sicht bestärken, dass keine Wissensaneignung einer Rechtfertigung außerhalb ihrer selbst bedarf, ganz gleich wie «nutzlos» sie sein mag: Dies ist nicht besonnener Lerneifer, sondern eitle und ungeordnete Neugier (Versuchungen, denen die Universitäten nicht immer widerstanden haben). Es soll eher den Wunsch nach sichtbarer Wirkung oder Anwendbarkeit im materiellen Bereich als einziges Kriterium der Nützlichkeit des Studierens in die Schranken weisen. Christlich verstanden ist das Studium der Geistes- und Naturwissenschaften «natürliche Kontemplation», der Versuch, natürliche und kulturelle Realitäten durch die Unterscheidung ihrer Beziehung zu ihren zugrundeliegenden Prinzipien zu erkennen und mithin die creata als «göttliche Wirkungen». Das vornehmliche Ziel des Studierens – jedes Studierens – ist die Kontemplation des Schöpfers von allem, und darin «sollte es keine Übung vergeblicher und verderblicher Neugier geben, vielmehr sollte ein Schritt auf die unsterblichen Dingen hin getan werden, die für immer bleiben.»

Der Unterricht ist das aktive Element der Universität. Die Kunst der Kontemplation, auch wenn sie aus natürlichen Fähigkeiten schöpft, wird durch den Unterricht perfektioniert, der diese Fähigkeiten in der Beziehung zwischen Lehrer und Lehrlingen, doctor und incipientes ausbildet, einübt und ausweitet. Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, den Lehrling in eine Tradition einzuführen, so dass der Lehrling ein aktiver, reflektierter Teilnehmer dieser Tradition werden kann, gut unterrichtet hinsichtlich ihrer Substanz, fähig, sich der Denkweisen zu bedienen, die sie erfordert, und schließlich in der Lage, ihren gemeinschaftlichen Bestand zu erweitern. In dieser Weise ist Unterricht eine bestimmte Form der Gemeinschaft. Eine Gemeinschaftsform, die auf die Kommunikation von Gütern und auf die Kultivierung hervorragender intellektueller und moralischer Fähigkeiten abzielt.

Der Unterricht findet im Schatten des Sündenfalls statt. So erfordert er Korrekturen, die für den Lehrer und Lehrling gleichermaßen beschwerlich sind und manchmal von Konflikten und Verbitterung begleitet werden. «Bildung», so bemerkte einmal Barth in seiner Ethik Vorlesung gegenüber seinen Studenten «bedeutet, dass jemand mehr oder weniger geschickt eines der vielen Hörner von meiner Stirn nehmen will, die ich unsichtbar trage und auf die ich so stolz bin wie ein Hirsch und einen komischen Hut an ihre Stelle setzen möchte.» Da der ungehinderte Vernunftgebrauch nach Ruhe verlangt, ist es also umso wichtiger, dass die Universität nach Frieden in ihrem gemeinsamen Leben strebt.

Die Bildung des Gerechtigkeitssinns ist das moralische Element der Universität. In ihrem Unterricht dient die Universität, wie wir gesehen haben, der Formung von Personen, insofern die geschaffene Vernunft, die diesen Personen innewohnt, hier zu ihrer Vollkommenheit geführt wird.

Diese ist selbst ein Gut, aber kein ausschließliches Gut; wenn es ein ausschließliches wird – in der Gestalt intellektueller Selbstvervollkommnung – lässt es das gemeinschaftliche Element des menschlichen Gutes außer Acht. Wie andere Institutionen dient die Universität diesem gemeinschaftlichen Gut durch die Ausbildung gerechter Bürger, deren Vernunft das wahrnimmt, was dem Gemeinwohl dient und das praktische Leben nach seinem Streben ausrichtet. In all ihren Unternehmungen bildet die Universität die Tugend der Gerechtigkeit aus, exemplifiziert und empfiehlt sie als die rechte Weise des Umgangs zwischen Personen, so dass das gemeinschaftliche Gut mit Beharrlichkeit verfolgt und verteidigt wird gegen die Ungerechtigkeit, die es bedroht.

Der umfassende Kontext für das kontemplative, aktive und moralische Leben der Universität ist die göttliche Schöpfung, Vorsehung und Erlösung. Die Universität zehrt von jenen Kräften, mit denen der Schöpfer seine Geschöpfe ausgestattet hat und die sie durch seine Vorsehung erhalten, und sie ist ein Schauplatz für deren Gebrauch. Diese Kräfte leiden unter der Verwüstung, die durch den Sündenfall entfesselt wurde und sind Gegenstand von Gottes erneuernder Gnade. Indem die Universität ihrer Aufgabe nachkommt, nimmt sie notwendigerweise an dieser Geschichte mit und unter Gott teil, manchmal zustimmend, manchmal widerstrebend und nahezu immer ohne ein refl ektiertes Bewusstsein davon. Folgende abschließende Fragen stellen sich hierbei: In welchem Maße dient oder behindert eine bestimmte Anordnung von institutionellen Absprachen und Selbstdefinitionen in der modernen Universität deren Berufung ? Und: Unter welchen Bedingungen kann Theologie als Anwendung religiöser Vernunft unter diesen verschiedenen institutionellen Kontexten verfolgt werden?

IV.

Es gibt freilich keine solche singuläre Entität wie die «moderne Universität»: Es ist besser, an eine Reihe heterogener Institutionen zu denken, mit stark divergierendem geographischen, politischen und ökonomischen Hintergrund, institutioneller Geschichte, bekannten oder impliziten Idealen und vielem mehr. Die folgenden Ausführungen sind hauptsächlich von der jüngeren Geschichte der Universitäten in Großbritannien geprägt, wenn auch Analogien zu Entwicklungen in Kontinentaleuropa und Nordamerika unschwer zu finden sein werden.

Ein beträchtlicher Teil der Literatur über den Zustand der Universitäten ist abwechselnd kritisch und nostalgisch. Es gibt zweifelsohne Gründe für Kritik und Klage. Doch beide Rhetoriken können verführerisch sein, das vernünftige Urteil lähmen und Unzufriedenheit sowie Entmutigung verstärken. Eine Theologie, welche die Universität innerhalb der Geschichte der Vorsehung und Wiederherstellung verortet, hat gute Gründe, Unmäßigkeit zu vermeiden und wird eher danach trachten, sowohl die Einschränkungen, unter denen sie leidet, als auch die Möglichkeiten, die sie genießt, in ihren gegenwärtigen Kontexten zu beleuchten.

Es gibt zwei Arten von Einschränkungen, die sich der Erfüllung der universitären Berufung in den Weg stellen. Zunächst eine Reihe unmittelbar bedrängender Einschränkungen, die Gegenstand verärgerter Kritik sind. Sie betreffen die Erosion des Gemeinschaftscharakters der Universität durch eine Vielzahl unterschiedlicher Zwänge: durch Bürokratisierung, durch eine Managementmentalität, durch eine Kultur der Leistungsbeurteilung, durch die Dominanz eines eng gefassten Konzeptes von Nützlichkeit, durch die Vernachlässigung der longue durée zugunsten einer schnellen Anpassungsfähigkeit an die Umstände. Der Druck rührt weitgehend von politischen Eingriffen in das Leben der Universität her. Die Geschwindigkeit, in der sie die Kultur der universitären Institutionen umgeordnet haben, und die allzu bereite Willfährigkeit, mit der sie oft von Universitätsverantwortlichen empfangen wurden, sind beide bemerkenswert. Angesichts derartiger Zwänge hat es sich für die Universitäten und besonders für die Geisteswissenschaften als nicht leicht erwiesen, das Vertrauen in ihre kontemplative, aktive und moralische Berufung aufrecht zu erhalten.

Die zweite Reihe von Einschränkungen ist von deutlich weitreichenderer Geltung und sie erfordern eine weit anspruchsvollere historische und theologische Analyse, als sie hier versucht werden kann. Diese Einschränkungen können unter dem Konzept der Naturalisierung der scientia zusammengefasst werden. Seit den letzten zumindest zweihundert Jahren hat sich dies im Selbstverständnis der Forschungsuniversität tief verankert. Mit «Naturalisierung» ist die Eliminierung (explizit oder stillschweigend) der Kategorie der «Kreatürlichkeit» in der Definition der Objekte, Verfahren, Handlungssubjekte und Ziele intellektuellen Fragens und dessen institutioneller Formen gemeint. Naturalisiertes Forschen beschäftigt sich mit den Faktoren der Natur und der Kultur, nicht mit zugrundeliegenden Prinzipien, ihrer Einheit oder ihrer Fähigkeit, auf eine transzendente Ordnung des Seins und der Kausalität zu verweisen. Die Vernunft beschäftigt sich mit disparaten Phänomenen und versucht nicht, sie auf eine einende Erstursache hin zu reduzieren (d.h. ihren Ursprung zurückzuverfolgen).

Dieser Naturalismus, beziehungsweise dieser Reduktionismus auf das Phänomenale (engl.: phenomenalism) erzeugt in der Theologie ein Unbehagen über ihren Stand in der Universität. Das Schicksal der Theologie ist in der Tat ein direkter Indikator für die Naturalisierung wissenschaftlicher Forschung, wie man leicht anhand der Diskussion um die Existenzberechtigung der Theologie an der neuen Humboldt Universität zu Berlin beobachten konnte. Als grundsätzliche Konsequenz dieses Naturalismus ging der Einschluss der Theologie in das universitäre Curriculum einher mit der Forderung, theologische Forschung müsse dem Konzept der scientia angepasst werden, wie es von der philosophischen Fakultät geehelicht wurde (um eine ältere Redeweise zu gebrauchen). Dadurch wird die sacra doctrina gezwungen, sich als akademische Disziplin zu regulieren. So sieht sich die Theologie dazu überredet beziehungsweise aufgefordert, sich davon fort zu bewegen, eine positive Wissenschaft zu sein, die sich auf einen konfessionellekklesialen Rahmen bezieht, sich von asketischen und religiösen Praktiken mit religiösen Objekten und Handlungen befasst. Die Tugenden, die erforderlich sind, um eine derartige Theologie zu betreiben, sind schlicht jene eines natürlichen Intellekts, der keiner Ergänzung bedarf. Das Wissen um natürliche Phänomene (Geschichte, Texte, Praktiken) der Religion ist der Zweck dieser theologischen Forschung.

Der Reduktionismus auf das Phänomenale ist ein Abfall der geschaffenen Vernunft von ihrer Berufung und steht im Gegensatz zur Herrschaft Christi und des Heiligen Geistes in der intellektuellen Ordnung. Er hat sich besonders für die biblischen und historischen Subdisziplinen der Theologie, die einfacher der historisch-kritischen Erforschung natürlicher Objekte der Religion angepasst werden können, als erstaunlich verführerisch erwiesen. Diese Anpassung bietet der Theologie die Befriedigung, sich im inneren Kreis einer kulturellen Institution reich an Prestige wiederzufinden und befreit sie von der Schande, eine sacra doctrina in einem Kontext zu verfolgen, der ganz anderen Tugenden verpflichtet ist, als jenen, welche die Vernunft des Glaubens erfordert. Prestige hat jedoch seinen Preis: die Umwandlung der Theologie in eine Analyse natürlicher Grundlagen sowie die Entkoppelung der scientia von der religio. Jene, die den Preis für zu hoch halten, suggerieren, dass die Theologie unter den gegenwärtigen Bedingungen zu viel riskiert, wenn sie an der Universität bleibt: Für Theologie als einen religiösen Akt sei die fuga mundi eine notwendige Bedingung. Diese Sicht der Dinge sollte nicht zu forsch abgewiesen werden. Mit voller Ernsthaftigkeit den asketischen Ansprüchen der theologischen Berufung zu entsprechen, bedeutet in der Tat, das Hinausgezogen-Sein aus der Welt und ihren Institutionen zu spüren. Eine Theologie, die aufgehört hat, diesen Zug wahrzunehmen, hat sich wohl eingerichtet, ihren Exilsstatus vergessen sowie die Langlebigkeit von Fehlordnungen in intellektuellen Institutionen. Dennoch hat die Isolation der Theologie etwas von einem beunruhigenden Perfektionismus, der allzu schnell die civitas terrena aus Gottes Umgang mit den Geschöpfen zu extrahieren versucht, indem sie deren Gefallenheit maximiert und dazu neigt, die Zeichen der erhaltenden Gnade zu übersehen, wodurch sie so letztlich die säkularen Selbstbestimmungen der Universität ungestört belässt.

Wie könnte im Gegensatz dazu eine freie, differenzierte Verbindung der Theologie mit der Universität aussehen? Die Freiheit, in der die Theologie sich mit der Universität vereinigen könnte, rührt von der Tatsache her, dass die theologische Vernunft eine bereits bestehende Wirklichkeit ist, die jeder möglichen Bestätigung ihres wissenschaftlichen Charakters durch die Universität zuvorkommt. Die theologische Vernunft existiert und operiert kraft Gottes liebender Selbstmitteilung, die den erlösten Geist unterweist, erleuchtet und befähigt. Akademische Anerkennung ist eine gänzlich kontingente Angelegenheit; die Möglichkeit und Wirklichkeit der Theologie ist durch ihren Bezug zu göttlicher Vernunft und Unterweisung gewährleistet: «Du hast mich gelehrt» (Ps 119,102). Auch wenn die Theologie starken Nutzen aus ihrer Verbindung mit der Universität ziehen kann, ist diese doch nicht für ihr Wachstum notwendig – man muss sich nur vergegenwärtigen, welcher Anteil der fesselndsten Theologie des letzten Jahrhunderts nicht an der Universität entstand, sondern in religiösen (Ordens-)Häusern.

Desweiteren bestimmt die Theologie die Eigenart, Grenzen und Möglichkeiten einer Verbindung mit der Universität auf der Basis ihres Verständnisses der Universität als Teil eines sicher bestehenden, aber noch unvollendeten regnum gratiae, das auf verschiedentliche Weise dem Urteil sowie der Verheißung des Evangeliums unterstellt ist. Als Institution der irdischen Stadt zeigt die Universität alle Zeichen der Feindseligkeit gegen Gottes Ziel für das menschliche Leben und den menschlichen Intellekt. Doch solche Feindseligkeit, wie schwerwiegend sie auch sein mag, kann den unendlichen Umfang von Gottes «Ja» gegenüber der Schöpfung im Evangelium nicht einschränken. Alles menschliche Leben vollzieht sich unter den Bedingungen des Evangeliums, das bloßstellt und zunichtemacht, was sich ihm entgegenzusetzen trachtet und das eine Fähigkeit als Gabe für seine Geschöpfe bereithält. Diese Gabe umfasst menschliche Institutionen, die noch in ihren Begrenzungen, ihrer Ambiguität und Undankbarkeit gegenüber der göttlichen Großzügigkeit, der Verschwendung göttlicher Güter und trotz des Urteils, das sie belastet, dennoch auf die gerechte Ordnung des Lebens verweisen und sie in fragmentierter Weise antizipieren können: «so wie die königliche Herrschaft Christi die Ordnung der Natur und die Ordnung der Gesellschaft dominiert, so dominiert sie auch die Ordnung der Vernunft.»

Bei dem Versuch, Umfang und Grenzen einer Verbindung mit jedweden institutionellen Ordnungen für das intellektuelle Leben festzulegen, benötigen die Theologen Klugheit, «das Wissen darüber, was zu suchen und was zu vermeiden ist.» Die Klugheit wendet die Vernunft in rechter Weise auf menschliche Angelegenheiten an, wo positive Gesetze keine einfache Bestimmung darüber ermöglichen, wann und wie zu handeln ist oder Handlungen zu unterlassen wären: Theologen dürfen niemals lügen, ob sie aber ihre Arbeit in einem universitären Rahmen verfolgen oder nicht ist eine kontingente Frage. Die Anwendung der Klugheit erfordert sowohl eine Kenntnis universaler Prinzipien (Wesen, Zweck und Gesetze) als auch das klarsichtige Erkennen von singularia, d.h. von Eigenheiten, welche eine bestimmte Situation ausmachen – der Möglichkeiten und Hindernisse, welche diese Situation birgt, der Anforderungen, die sie an Charakterstärke und Geisteskraft stellt, um sie zu bewältigen. Klugheit ist weit mehr als eine natürliche Schläue, die dem Selbstschutz dient, denn sie ist eine Tugend, der es darum geht angemessene Handlungsoptionen zu entwickeln, um gute Ziele zu erreichen. So basieren ihr Verstehen, ihr Wille und ihre Affekte auf der Formung durch den Heiligen Geist.

Indem die Theologie Klugheit in der Frage der Verbindung mit der Universität walten lässt, fragt sie einerseits: Welche Anzeichen der göttlichen Güte und der menschlichen Dankbarkeit können in der Universität erkannt werden? Welche Offenheit gegenüber intellektueller Vielfalt und gegenüber der Einheit der Wahrheit kann wahrgenommen werden? Erwartet man sich von der theologischen Vernunft eine Bereicherung und Erweiterung des universitären Lebens? Welche Gelegenheiten bieten sich für caritas in Lehre und Zeugnis dar? Welche Möglichkeiten eröffnen sich für fruchtbaren Austausch und gemeinsame Arbeit? Welche Chancen gibt es für eine Erneuerung des kontemplativen Engagements für die res der Theologie? Was kann dem Rückzug der Theologie in Selbstbezogenheit, formelhafte Wiederholung ihrer Inhalte, Faulheit oder den Verlust intellektuellen Appetits Einhalt gebieten?

Die Theologie fragt andererseits: Wird eine Verbindung mit der Universität die Theologie durch übermäßige Aufsicht darin einschränken, ihre eigenen Ziele zu verfolgen? Wird die Theologie in irgendeiner Weise gezwungen, die Zwecke und Weisen ihres Forschens an jene Disziplinen anzupassen, die ein höheres Ansehen in der Universität genießen? Werden Anreizsysteme durch Finanzausstattung und Drittmittelförderung die Theologie dazu drängen, bestimmte Wege zu beschreiten und andere außer Acht zu lassen? Wird die Theologie auf sanfte oder brüske Weise dazu geführt werden, etwas anderes zu lieben als ihr eigenes Gut?

Die Theologie bringt umfassendere Prinzipien in die Abwägung besonderer Umstände dieser Art ein, auf die sie sich beziehen kann. Einige der Prinzipien sind von umfassendster Art und betreffen den Weltbezug aller Gläubigen: Treue zum christlichen Bekenntnis, den Willen Gottes vor allen anderen Dingen zu suchen, Verachtung für weltliches Prestige und Fortkommen, sich unbefleckt zu halten von der Welt. Daneben erfordert der Gebrauch der Klugheit in diesen Angelegenheiten aus zwei Gründen noch in einer spezifischeren Hinsicht einen gut ausgebildeten, kohärenten und tätigen Sinn für die Identität der Theologie, ihre Integrität, ihre Berufung und ihre Ziele. Erstens bewahrt er die Theologie davor, ihren Selbstwert von der Anerkennung der Universität abhängig zu machen, denn welche Rechtfertigung und welchen Wert die Theologie hat, untersteht im Letzten dem Urteil Gottes. Zweitens und praktischer, befähigt er die Theologie, institutionelle Ordnungen und Forschungsmethoden nach ihrer Kohärenz zu differenzieren oder andernfalls nach ihrem eigenen Gegenstand und ihrer Berufung abzuwägen. Die Theologie wird der Verlockung naturalisierter literarhistorischer Methoden überzeugter widerstehen, wenn sie etwa in der Lage ist, zu beurteilen, dass sie nicht die Ziele befördern, auf welche ihre Arbeit ausgerichtet ist.

Klugheit «handelt um eines Zweckes willen». Ihre tieferen Beweggründe sind objektiv die Geistesgabe des Rates und subjektiv die Gottes liebe. Die Klugheit erfordert eine inquisitio rationis, die bewusste Abwägung kontingenter Umstände durch die Vernunft, um Handlungen gut abstimmen zu können. Damit dies gelingt, können sich die durch den Sündenfall beschädigten Geisteskräfte nicht auf sich selbst verlassen. Sie müssen durch den Heiligen Geist bewegt und belehrt werden. Denn «weil ihr Geist durch den Geist belebt und darüber unterrichtet wird, was zu tun ist […] sind sie mit der Gabe des Rates beschenkt». Außerdem ist die Klugheit von der Liebe geleitet. In der Klugheit sehen wir nach Augustinus «die Liebe auf rechte Weise unterscheiden zwischen dem, was ihr zu Gott verhilft und was sie hindert». Ohne die Ausrichtung der Liebe auf gute Ziele wird die Klugheit lediglich zu einer List, die zum Überleben notwendig ist (es ist ganz und gar möglich, dass der Theologe diesem Laster erliegt).

Wenn die Theologie zu dem Schluss kommt, dass es ihren Zielen dient, in irgendeiner Weise eine Verbindung mit der Universität einzugehen, wird sie schließlich bedenken müssen, welche Tugenden und Praktiken als Vorkehrungen erforderlich sind, um ihr Wohlergehen aufrecht zu erhalten.

Die Theologie wird sich in diesen Tugenden üben müssen, die besonders für christliches Handeln vor dem Hintergrund uneinheitlicher, mangelhafter Rahmenbedingungen relevant sind. Sie befähigen zu einer Abwägung hinsichtlich des rechten Maßes an Beteiligung und Distanzierung gegenüber zivilen Institutionen. Zu diesen Tugenden zählt die Treue zur königlichen Herrschaft Christi in der Ordnung der Vernunft, die Hoffnung in der Gestalt der Erwartung, dass – entsprechend der Herrschaft Christi – die Universität sowohl die Zeichen göttlicher Güte verraten wird, als auch Gelegenheiten zur Erfüllung der theologischen Berufung bieten wird. Zu ihnen zählt auch der Großmut, durch den wir uns auf Großes ausstrecken und durch den wir uns weigern, uns von den Umständen einengen zu lassen. Die caritas in der Gestalt des Wohlwollens und der Güte gegenüber jenen, mit denen wir verbunden sind; die Wachsamkeit gegenüber möglichen Übergriffen auf die theologische Integrität («Es gehört zur Klugheit, mit banger Wachsamkeit zu wachen, damit sich nicht ein zerstörerischer Einfluss in uns einschleiche»); die Bereitschaft auf Anerkennung zu verzichten und einen Ehrverlust zu ertragen; Langmut angesichts der Verzögerung gänzlich zufriedenstellender Rahmenbedingungen für die theologische Arbeit und schließlich Ausdauer und Geduld, die aus der Hingabe an den Ruf Christi erwachsen, an einem bestimmten Ort zu dienen.

Solche Tugenden sind an eine religiöse Praxis gebunden, welche nicht als bloß äußerliche Begleiterscheinung zur theologischen Vernunft hinzukommt, sondern intrinsisch zu ihr dazugehört. Im weitesten Sinn erfordert dies die Hingabe der theologischen Vernunft an die bereitwillige Verwirklichung von allem, was der Dienst an Gott erfordert. Im engeren Sinn schließt dies die Untrennbarkeit der theologischen Arbeit von jenen Handlungen ein, in denen wir von Gott in Wort und Sakrament in der Gemeinschaft der Kirche die Mitteilungen seiner Gnade empfangen und durch welche das Leben des Glaubens genährt wird. Es schließt auch die Untrennbarkeit von jenen Handlungen ein, durch welche wir uns der Selbstzucht unterwerfen, damit wir die Sünde zurückdrängen und die belebende Kraft des Geistes offenbarer wird. Vor allem aber erfordert das Überleben der theologischen Vernunft in der Universität – oder in jedwedem anderen Rahmen – das Gebet, in dem wir unsere geschöpfliche Bedürftigkeit bekennen, uns Gott als dem Schöpfer aller guten Gaben zuwenden und «den Geist [Gott] durch Ehrerbietung übereignen».

V.

Mit einer klaren Vorstellung ihrer Natur und ihrer Berufung innerhalb der göttlichen Heilsökonomie, gestärkt durch die göttlichen Gaben der Tugend und durch Hingabe, kann die theologische Vernunft eine freie Verbindung mit der Universität riskieren. Welche Gaben bringt sie ein? Welcher Nutzen erwächst der Universität durch ihre Einbeziehung? Zweifellos ein großer: die Theologie hat eine Metaphysik und Moral der menschlichen Vernunft anzubieten.

Erstens artikuliert und steuert die Theologie durch die Metaphysik ihre eigene Arbeit durch eine geschlossene Darstellung der Vernunft und ihrer Institutionen, der Schulen, Wissenschaftler und der Wissenschaften. Nur die Theologie «kann uns lehren was das letzte Ziel der Natur und der Vernunft» ist. Die Theologie provoziert die Universität dazu, in Betracht zu ziehen, dass es so etwas wie das Universum gibt, nicht nur unbestimmte Vielfalt und damit als Konsequenz die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es ein einheitliches menschliches Verständnis der natürlichen, sozialen und kulturellen Realität gibt. Die Theologie bietet diese Sicht der Dinge an, indem sie eine «evangeliumsgemäße Aufklärung» verfolgt, indem sie das Evangelium nach Weisungen darüber befragt, wie zeitliche Realitäten sub ratione Dei, in Übereinstimmung mit ihrer einheitlichen Erstursache und ihrem letzten Ziel, zu verstehen sind. Sich dem Evangelium zu widmen, bedeutet sich dem «einen Gott, dem Vater» zu widmen, «von dem alles abstammt und auf den hin wir leben und Jesus Christus, den einen Herrn durch den alles ist und durch den wir sind» (1 Kor 8, 6). Das, worauf sich partikulare Akte des Forschens richten, ist nicht irgendeine zufällige Gruppierung von Gegenständen, die durch einen bloßen Kunstgriff in einer Institution versammelt wurden, sondern eine Reihe geschaffener Realitäten, die eine geordnete Einheit konstituieren. Die Forschungen der Universität werden durch den Umstand bestimmt, dass «die Herrschaftsordnung in den Dingen, die durch Gottes Schöpfung eingerichtet wurden, die Einheit des Kosmos offenbart. Dies liegt an dem einen Plan, der die Dinge aufeinander bezieht. Denn alle Dinge, die von Gott kommen, haben eine Beziehung zueinander und zu Gott.» Die Universität ist unter anderem eine soziale Erkundung der Integrität der Wahrheit. Moderne Universitäten sind selten je von einer solchen Überzeugung unterrichtet: der Reduktionismus auf das Phänomenale neigt seinem Wesen nach zur Spaltung. Wenn also die Theologie auf die zugrundeliegende Einheit angesichts ihrer weitläufigen Verleugnung zu verweisen hat, muss sie eine beträchtliche metaphysische Ambition aufbringen, die gemäßigt wird durch die Anerkennung, dass sie in ihrer Affirmation einer einheitlichen Ordnung der Dinge in dem unvollkommenen Bereich des Abbildes bleibt. So vermag sie die Ordnung, die sie zu bezeugen wünscht, nicht notwendig direkt wahrzunehmen und zu beschreiben. Trotzdem wird ohne metaphysische Ambition ein primäres Element der theologischen Berufung unerfüllt bleiben. Die öffentliche Berufung der Theologie an der Universität schließt das Teilen einer göttlichen Gabe der Weisheit mit ein, dem Vermögen «alle Dinge nach Gottes Regeln zu beurteilen und in ihre Ordnung zu setzen».

Zweitens exemplifiziert und empfiehlt die Theologie durch die Moral die rechte Anordnung der kontemplativen, aktiven und bildenden Aufgaben der gemeinsamen intellektuellen Unternehmung. Sie versucht dies beispielsweise durch die Förderung des Lerneifers und indem sie der Neugier widersteht, gegen die Promiskuität und Zerstreuung der Vernunft zeugt. Sie versucht dies auch, indem sie den Vorrang der Kontemplation vor der Nützlichkeit fördert, oder indem sie Barmherzigkeit und Gerechtigkeit in den Aufgaben des Lehrens und Leitens verfolgt. Die Präsenz der Theologie an der Universität sollte auch die Präsenz menschlicher Güte in ihren Angelegenheiten mit einschließen. Damit die Theologie in der Lage ist, ihre öffentliche Berufung zu erfüllen, braucht sie Vertrauen in die Möglichkeiten der Kunst und der Wissenschaft jenseits des bekennenden Glaubens und Vertrauen in ihr eigenes Vermögen die Universität zu bereichern indem die Theologie aus ihren eigenen Quellen heraus Rechenschaft ablegt von diesen Möglichkeiten. Mit anderen Worten ist die Voraussetzung dafür, dass die Theologie ihren Beitrag zur Universität leistet, dass sie Theologie bleibt. Die Voraussetzung dafür, dass die Theologie Theologie bleibt, sind geheiligte Theologen. Die Voraussetzung für die Existenz geheiligter Theologen ist die Gnade des Heiligen Geistes.

Aus dem Englischen übersetzt von Goran Subotic.

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