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Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V.
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Leseprobe 1
Jean-Robert Armogathe
«DAS IST WÜRDIG UND RECHT»
Die Liturgie und das Kirchenrecht
Dieser Beitrag wurde angeregt durch eine überraschende Fest-stellung: Im sogenannten Dekret Gratians (gegen 1150), dem grundlegenden Text für das westliche Kirchenrecht, der viele rechtstheoretische Überlegungen ausgelöst hat, finden sich zwei Abhandlungen über die Buße und über die ­Weihe. Was haben diese zwei theologischen Texte, die viele detaillierte rituelle Vor-schriften enthalten, in einem rechtswissenschaftlichen Sammelwerk zu suchen? Was hat das Kirchenrecht mit dem rituellen Vollzug der Liturgie zu tun?

Ein liturgischer Traktat im Dekret Gratians

Stellen wir zunächst das Dekret Gratians kurz vor. Der unter diesem Titel bekannte Text wurde, zusammen mit den zugehörigen Kommentaren (den Dekretalen) zur Grundlage für das, was man seit dem 16. Jahrhundert als Corpus Iuris Canonici kennt. Als «Konkordanz diskordanter Kanones» (wie Gratian sein Werk zutreffend benannt hat) setzt es sich aus heterogenen Teilen zusammen. Für gewöhnlich zählt man deren drei. Am Ende des Zweiten und im ganzen Dritten Teil finden sich die zwei erwähnten liturgischen und theologischen Abhandlungen. Mit diesen Texten haben sich die Rechtshistoriker bisher wenig befaßt; sie schienen ihnen eher theologischer als rechtlicher Natur zu sein. Das ist jedoch eine etwas vorschnelle Ein­schätzung. Als erstes wäre zu fragen: Warum haben Gratian und seine Nachfolger es für nötig befunden, in ihre Sammlung rechtlicher Fragen zwei liturgische Abhandlungen aufzunehmen?

Was beinhalten sie? Es gibt darin zwar zahlreiche Ausführungen über die richtige Lehre; doch die Texte zielen offensichtlich darauf ab, Gesetze für die richtige Feier der Sakramente vorzuschreiben und gewissermaßen das Ritual festzulegen. Die Gesetze sind jedoch nicht willkürlich; sie stützen sich auf die Heilige Schrift und auf das kirchliche Glaubensbekenntnis. Die rechtliche Tragweite der Abschnitte über das Bußsakrament ist unbestritten; ich möchte jedoch vor allem die andere Abhandlung ins Auge fassen, die den dritten Teil des Decretum Gratiani ausmacht: «Über die Weihe» (consecratio). Die Glossatoren haben schon seit langem bemerkt, welch große Zurückhaltung Gratian sich gerade in dieser Abhandlung auferlegt; persönlich äußert er sich nur kurz an zwei Stellen.

Was versteht er unter Weihe? Man erkennt bald, dass er darunter jedes Handeln versteht, das Heiliges in die Weltwirklichkeit einführen will, vor allem im Sakrament der Eucharistie. Angefangen von der Weihe der Kirchen als Ort der Feier geht er weiter zur Weihe des Altars, der Gefäße und der Tücher, sodann zum Zelebranten, zu den Gaben, zur Kommunion der Gläubigen, zur Gegenwart Christi in der Eucharistie, zur Taufe und zum Heiligen Geist. Sein Vorgehen ist folgerichtig: Es führt vom Materiellsten und Geringsten, dem steinern Gebäude, zur feiernden Gemeinde, dann zu Christus und zu dem in Christus getauften Gläubigen und schließlich zum Heiligen Geist.

Stufe für Stufe werden die rituellen Vorschriften ausdrücklich miteinander verknüpft, was um so erstaunlicher ist als Gratian sie aus mehreren unterschiedlichen und oft zeitlich weit auseinander liegenden Quellen zusammengestellt hat. So verbietet der Kanon 38 des ersten Abschnitts, dass Laien das Holz (oder das Gebälk) einer geweihten Kirche gebrauchen (was einem Hyginus zugeschriebenen Dekret entnommen ist, der von ungefähr 136 bis 140 Bischof von Rom war). Die römischen Revisoren des Textes (1582) stellen fest, die ursprüngliche Lesart habe gelautet: «das geweihte Holz einer Kirche», doch genaue Leser hätten das Manuskript verbessert. Denn tatsächlich wird die Kirche, nicht die Baumaterialien geweiht; diese verdanken ihre Ehrenstellung (sie müssen zum Bau einer anderen Kirche oder eines Klosters dienen oder verbrannt werden) erst der Weihe des ganzen Gebäudes. Das gleiche gilt für die Materialien der geweihten Gefäße (Kanones 44 und 45).

Ein weiteres Beispiel betrifft die Altartücher. Ein Kanon hält fest, dass das Korporale nicht aus Seide oder aus gefärbtem Tuch sein soll, sondern aus reinem Leinen. Weshalb? Würde der gesunde Menschenverstand nicht raten, den Leib Christi eher auf einen wertvolleren Stoff zu legen als auf das bloße Leinen? Consulto omnium...: «Nach allgemeiner Ansicht» schrieb Papst Sylvester I. († 335), dem dieser Kanon zugeschrieben wird. Und er gibt den Grund dafür an: «da der Leib unseres Herrn in einem Leichentuch aus reinem Leinen begraben wurde [...]». Die Glossen präzisieren noch weiter: Das Leinen muß rein sein, das heißt «unangetastet und ohne Flecken», und das Korporale wird aus irdischem Leinen hergestellt und gewoben (terreno lino procreato atque contexto), weil, wie die Glosse sagt, «das Leinen durch viele Schläge ge-bleicht wurde, wie Christus durch vielerlei Bedrängnisse zur Herrlichkeit gelangte und wie auch die Gläubigen nur durch vielerlei Bedrängnisse zur Herrlichkeit gelangen.» Dieses Leinen wird irdisch genannt, «weil Christus im Schoß der Jungfrau wahres sterbliches und leidensfähiges Fleisch angenommen hat.» Die Formulierung des Kanons verweist auf den theologischen Grund für die rituelle Vorschrift, und die Bemerkungen der Glossatoren zeigen, dass diese «ätiologische» Deutung (über Begründung und Motivation des Kanons) schon von den ersten Kommentatoren sehr wohl verstanden worden ist. [...]


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