archivierte Ausgabe 5/2013 |
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Herausgeber und Redaktion |
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JOACHIM HAKE Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V. |
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URSULA SCHUMACHER
Professorin für Dogmatik an der Universität Luzern |
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JAN-HEINER TÜCK Professor für dog-
matische Theologie, Universität Wien |
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Herausgeber und Redaktionsbeirat stellen sich vor. |
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Lesermeinung von |
Anton Svoboda,
Dipl.-Theologe, Musiker
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Dirk Ansorge |
«VERGIB UNS UNSERE SCHULD!» |
Schuldbekenntnis und Vergebungsbitten Papst Johannes Pauls II. im Heiligen Jahr 2000 |
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Im Blick auf zahlreiche Missbrauchsfälle in der Diözese Boston erinnerte Erzbischof Seán Patrick O’Malley bei seiner Amtseinführung im Jahr 2003: «Das dritte Jahrtausend hat für die Katholiken mit einem langen Bußritus begonnen, und zu Beginn dieser Einführungsfeier bitte ich erneut um Vergebung für alles Leid, das jungen Menschen durch Kleriker, Ordensleute und Mitarbeiter der kirchlichen Hierarchie angetan wurde. Die ganze katholische Gemeinschaft schämt sich und leidet wegen des Schmerzes und des Schadens, der so vielen jungen Menschen zugefügt wurde […]. Diese Opfer und ihre Familien bitten wir um Vergebung.»
Bei dem «langen Bußritus», auf den sich Erzbischof O’Malley bezieht, handelt es sich um das Schuldbekenntnis und die Vergebungsbitten, die Papst Johannes Paul II. am ersten Fastensonntag im Heiligen Jahr 2000 in Rom formuliert hatte. Im Rahmen einer Eucharistiefeier im Petersdom hatte der Papst ein Bekenntnis zu zahlreichen Verfehlungen abgelegt, die in der Geschichte der Kirche von Christen an einzelnen Personen oder Gruppen, ja an ganzen Völkern verübt worden sind. Anders als Erzbischof O’Malley richtete der Papst seine Bitten um Vergebung freilich nicht an die Opfer, sondern an Gott.
Rückblickend waren Schuldbekenntnis und Vergebungsbitten des Papstes am ersten Fastensonntag der Höhepunkt einer Vielzahl von Eingeständnissen kirchlicher Schuld, die Johannes Paul II. während seines langen Pontifikats zu unterschiedlichen Anlässen formuliert hatte. Kein geschichtsblinder Triumphalismus, sondern ein mitfühlendes Eingeständnis begangenen Unrechts bestimmten Schuldbekenntnis und Vergebungsbitten des Papstes auch im Heiligen Jahr 2000. Vergleichbares hatte es in der Geschichte der katholischen Kirche nur selten gegeben.
Schuldbekenntnis und Vergebungsbitten zählen keine einzelnen Verfehlungen auf. Sie stecken vielmehr weiträumig Felder ab, auf denen Christen in unterschiedlicher Weise schuldig geworden sind. Nach den Worten des Papstes haben sich Christen Andersgläubigen gegenüber intolerant gezeigt; sie haben die Einheit der Kirche beschädigt und sich gegenüber Israel versündigt. Christen haben «das Evangelium verleugnet und der Logik der Gewalt nachgegeben»; sie haben Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Rasse oder ihres Geschlechts ausgegrenzt und diskriminiert. Und schließlich haben die Christen auf offenkundige Notsituationen und schreiendes Unrecht nicht angemessen reagiert.
Das Schuldbekenntnis ist ein Bekenntnis, das der Papst in Ausübung seines authentischen Lehramtes im Namen der Kirche vor Gott ausgesprochen hat. Daraus ergibt sich die Verbindlichkeit seines Tuns für die gesamte Kirche. Gleichwohl waren und sind Schuldbekenntnis und Vergebungsbitten keineswegs unumstritten. Fürchteten die einen, beides könne von «Feinden der Kirche» mit einem generellen Eingeständnis ihres Versagens verwechselt werden und herrschende Vorurteile bestätigen, so ging anderen das Bekenntnis nicht weit genug, schien es halbherzig formuliert und überhaupt auf den Versuch hinauszulaufen, die Institution Kirche auf Kosten schuldig gewordener Individuen von der Last der Vergangenheit reinzuwaschen.
Tatsächlich ist in Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte des Papstes nicht von der Kirche als ganzer die Rede, die sich verfehlt habe, sondern nur von ihren «Gliedern». Diese, nicht die Kirche als Institution, seien «Gott ungehorsam geworden» und hätten «dem Glaubensbekenntnis und dem Evangelium widersprochen» – so das einleitende «Allgemeine Schuldbekenntnis». Nicht die Kirche als ganze, sondern «Menschen der Kirche» hätten im Namen des Glaubens und der Moral «bisweilen» auf Methoden zurückgegriffen, die dem «Evangelium der Liebe» widersprechen.
Und doch: trägt nicht auch die Kirche als Institution Verantwortung für zahlreiche Verfehlungen, ja Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden? Ist tatsächlich immer nur der einzelne Christ, die einzelne Christin schuldig geworden – oder ist hier nicht auch auf Frömmigkeitsformen, Theologien, liturgische und kirchenrechtliche Praktiken hinzuweisen, die in heutiger Perspektive das schuldhafte Verhalten von Einzelnen womöglich gar erst provozierten? Gibt es nicht doch auch so etwas wie eine strukturelle Sünde, eine Sündigkeit der Kirche als ganzer jenseits der individuellen Schuld Einzelner? Eine Sündigkeit der Kirche womöglich, die der individuellen Schuld überhaupt erst Boden und Nahrung gibt? Was aber bedeutete die Existenz von «Strukturen der Sünde» in der Kirche für den Begriff von Kirche selbst, für den im Credo bekannten Glauben an die heilige Kirche? [...]
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