archivierte Ausgabe 4/2016 |
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Herausgeber und Redaktion |
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JOACHIM HAKE Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V. |
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URSULA SCHUMACHER
Professorin für Dogmatik an der Universität Luzern |
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JAN-HEINER TÜCK Professor für dog-
matische Theologie, Universität Wien |
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Herausgeber und Redaktionsbeirat stellen sich vor. |
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Lesermeinung von |
Anton Svoboda,
Dipl.-Theologe, Musiker
Lesen Sie hier |
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Leseprobe 3 |
DOI: 10.14623/com.2016.4.378–387 |
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Julia Knop |
LEBEN UND LEHRE IM LICHT DES EVANGELIUMS |
Das nachsynodale Schreiben «Amoris laetitia» von Papst Franziskus |
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Das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia, das Papst Franziskus am Josefstag 2016 unterzeichnet und am 8. 4. 2016 in acht Weltsprachen veröffentlicht hat, ist etwas Besonderes. Auf dem Schreibtisch entstanden, ist es doch kein Schreibtischwerk. Es ist Resultat eines komplexen Beratungsprozesses, aber doch kein typisches Kommissionspapier, das bald nach seiner Veröffentlichung in Schubladen und Archiven zu verschwinden droht. Obgleich es Stimmen unzähliger Gläubiger zusammenführt und das Votum von 360 Synodalen umfänglich zitiert, ist es kein fauler Kompromiss zur Beruhigung aller Gemüter. Im Gegenteil: In Amoris laetitia zeigt sich, wie Beratung und Entscheidung, gesamtkirchliche Synodalität und päpstliche Verantwortung, Dezentralisierung und die Stärkung kirchlicher Einheit in eine beispielhafte Balance kommen können. Das Schreiben markiert den vorläufigen Abschluss einer synodalen Debatte, an der 270 Patriarchen, Bischöfe und Ordensvertreter sowie 90 beratende Personen und Gäste teilgenommen haben. Es ist zugleich der Beginn eines kirchlichen Weges, dessen Richtung der Papst vorgegeben hat, dessen Bahnen, Abzweigungen und Hürden jedoch erst zu entdecken und v. a. beherzt zu begehen sein werden.
In drei Abschnitten soll eine erste Einordnung und Einschätzung des Dokuments gegeben werden. Es folgen (1) Anmerkungen zum Prozess, (2) zu einem der Leitmotive der Synode, der Gradualität bzw. der Unterscheidung, sowie (3) zur Frage der in Amoris laetitia zutage tretenden Verhältnisbestimmung von Lehre und Leben im Licht des Evangeliums.
1. Themen – Kontexte – Debatten
Dass Franziskus eine Bischofssynode zu Fragen von Partnerschaft und Sexualität, Ehe und Familie plane, meldeten Journalisten erstmals im Herbst 2013, die ihn auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro begleiteten und die Gelegenheit zum Interview nutzten.3 Im Dezember folgte ein Vorbereitungsdokument, das Themen und Fragen benannte, die zur Beratung stehen würden, und eine von zwei weltkirchlichen Umfragen eröffnete. Damit sollten Erfahrungen und Einschätzungen derjenigen Getauften erhoben werden, die im Unterschied zu den Bischöfen als Paar und Eltern in der Nachfolge Christi leben. Beim römischen Konsistorium im Februar 2014 hielt Walter Kasper im Auftrag des Papstes einen Vortrag zum «Evangelium von der Familie», der zum kontroversen Ankerpunkt der weiteren Debatte wurde. Als erster Höhepunkt des synodalen Prozesses folgte im Oktober 2014 die außerordentliche Bischofsversammlung mit drei schriftlichen Ergebnissen. Ein Jahr später tagte die ordentliche Bischofssynode, deren Auftakt und Schlussrelatio ebenfalls mitsamt allen Abstimmungsergebnissen öffentlich dokumentiert wurden.
Das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia über die Liebe in der Familie, das Franziskus als päpstliche Exhorte promulgierte, ist in 9 Kapitel mit insgesamt 326 Nummern gegliedert, die in den deutschen Ausgaben je nach Druckbild knapp 300 Seiten ausfüllen. Bereits dieser Umfang lässt aufmerken und erahnen, dass es im synodalen Prozess um anderes als eine kirchenrechtliche Detailfrage gehen sollte und gegangen ist. Anstehende rechtliche Änderungen für Eheannullierungen hatte Franziskus wenige Wochen vor der Synode 2015 in der unaufwändigen Form eines Motu proprio zur Geltung gebracht. Mit dem Schreiben Mitis Iudex Dominus Iesus verfügte er eine erhebliche Verschlankung von Ehenichtigkeitsprozessen, die nicht zuletzt im Umfeld der Synode 2014 als wichtiges Desiderat markiert worden war. Indem er die rechtliche Ausgestaltung des Instruments «Eheannullierung» motu proprio – aus eigenem Antrieb, quasi auf kurzem päpstlichem Dienstweg – erneuerte, entzog er sie de facto einer langwierigen Diskussion in der Synodenaula. Zugleich überantwortete er der Synode so diejenigen Fragen, die in Sachen Ehenichtigkeitserklärung grundlegender sind und einer ernsthaften weltkirchlichen Auseinandersetzung bedurften.
Die entscheidende Ursache dafür, dass das Instrument «Eheannullierung» überhaupt Relevanz beanspruchen kann, sieht Franziskus in einem verbreiteten Missverstehen des Ehesakraments selbst, das sehr häufig auf seine äußerliche Form reduziert und als bloßer Ritus nachgefragt werde, statt als bewusst eingegangene Lebensform der Nachfolge Christi als Paar und Familie gefeiert zu werden (AL 72). Wenige Wochen nach Veröffentlichung von Amoris laetitia konstatierte er vor einem pastoralen Konvent der Diözese Rom im Juni 2016: Allzu viele junge Leute heirateten faktisch unfrei, beispielsweise aus der Euphorie der Verliebtheit heraus oder weil ein Kind unterwegs ist, weil gesellschaftliche Gewohnheiten dies nahelegen oder man ein großes Fest feiern wolle. Wer aber «heiraten muss», tut dies nicht frei. Gesellschaftliche Konventionen, familiärer Nachdruck und sogar eine bestehende Schwangerschaft taugen als Grundlage einer sakramentalen Eheschließung nicht; der Papst rät freimütig dazu, in solchen – verbreiteten! – Fällen vor der kirchlichen Ehe zu warnen bzw. sie sogar zu verweigern. Das gilt zumal dann, wenn auf menschlich-partnerschaftlicher und auf religiös-geistlicher Ebene die nötige Reife und mit ihr die erforderliche Freiheit zu einer wirklich sakramentalen Eheschließung nicht hinreichend gegeben ist. In Konsequenz hält Franziskus einen nicht geringen Teil der Ehen unter Christen für nicht sakramental und die Erleichterung ihrer Auflösung, wie er sie schließlich in Mitis Iudex Dominus Iesus verfügte, für ein Gebot der Redlichkeit und der Barmherzigkeit. [...]
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