archivierte Ausgabe 3/2018 |
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Herausgeber und Redaktion |
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JOACHIM HAKE Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V. |
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URSULA SCHUMACHER
Professorin für Dogmatik an der Universität Luzern |
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JAN-HEINER TÜCK Professor für dog-
matische Theologie, Universität Wien |
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Herausgeber und Redaktionsbeirat stellen sich vor. |
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Lesermeinung von |
Anton Svoboda,
Dipl.-Theologe, Musiker
Lesen Sie hier |
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Leseprobe 1 |
DOI: 10.14623/com.2018.3.216–228 |
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Julia Knop |
DIAKONISCHE KIRCHE UNTER DEN BEDINGUNGEN DER DIASPORA |
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«Ist nicht die Zeit gekommen, dass die Kirche hier – zumindest in ihrer bisherigen historischen Form – im Sterben liegt? Und was kann sie aus ihrem Erfahrungsschatz jenen vermachen, die vielleicht einmal wieder an sie anknüpfen werden?» So fragt der tschechische Priester, Psychotherapeut, Soziologe und Religionsphilosoph Tomáš Halík, der gegenwärtig als einer der wichtigsten Gesprächspartner zur Erneuerung von Kirche und Pastoral unter den Bedingungen einer säkularen Moderne gilt. Er rät, genau zu unterscheiden zwischen einer in die Jahre gekommenen kirchlichen Sozialgestalt und ihrem Auftrag, zwischen gewohnten Strukturen und ihrer Sendung. Ein hilfreiches Instrument, diese Differenzierung durchzuführen, bietet die Zusammenstellung dreier Charakteristika des Christseins, das sich im Glaubenszeugnis, im caritativen Engagement und im Gebet vollzieht. Diese Trias ist weniger alt als gemeinhin gedacht (1). Das II. Vatikanische Konzil hat sie zumindest in Form einer verwandten Zusammenstellung aufgegriffen (2). Martyria, Diakonia und Liturgia lassen sich gleichwohl als schlüssige Entfaltungen des sakramentalen, im Grundsatz exzentrischen Kirchenbildes des Konzils verständlich machen (3). Aber was bedeutet es, in postvolkskirchlichen Zeiten, in säkularer Gesellschaft Kirche zu sein? Bereits 1959 hat Karl Rahner die Diaspora als Normalfall kirchlicher Existenz erkannt (4). In den ostdeutschen Diözesen ist diese von Rahner noch theoretisch beschriebene Situation seit langem vertraut. Hier geht es nicht darum, angesichts eines galoppierenden Abbruchs an Personal und gesellschaftlichem Rückhalt traditionale Relikte einer wirtschaftlich weiterhin vergleichsweise potenten und bürokratisch überversorgten Volkskirche zu «retten» oder abzuwickeln. Die Herausforderung besteht hier vielmehr darin, in einer seit Generationen bestehenden religiösen Minderheitensituation dennoch diakonisch Kirche zu sein (5).
1. Martyria – Diakonia – Liturgia
Alle Lebensformen der Kirche überhaupt sind eingeschlossen in dem dreifachen Amt, das der Kirche von ihrem Ursprung her aufgetragen ist, dem Amt des Zeugnisses und der Lehre, dem Amt des Gebetes und der Sakramente, dem Amt der Liebe und der geordneten Gemeinschaft; biblisch gesprochen dem Amt der martyria, der leitourgia und der diakonia. Dies dreifache Amt der Kirche näher zu beschreiben und die inneren Beziehungen dieser drei Bereiche aufzudecken, hieße nicht weniger als die Gesamtheit alles kirchlichen Lebens und Handelns darzustellen.
So formulierte es 1940 Wilhelm Stählin, der spätere evangelisch-lutherische Bischof Oldenburgs, bekannt durch den u. a. nach ihm benannten Jaeger-Stählin-Kreis, der für die katholisch-lutherische Ökumene eine bedeutende Rolle spielen sollte. Seine Schrift «Bruderschaft», aus der das Zitat stammt, reflektiert die Bedingungen der in der evangelischen Kirche im 20. Jahrhundert vielfältig aufbrechenden Bewegungen gemeinsamen Lebens. Er war Mitbegründer der Evangelischen Michaelsbruderschaft, die 1931 aus der Berneuchener Bewegung entstanden ist und sich bis heute durch hohes liturgisches und ökumenisches Engagement auszeichnet. Im Umfeld dieses Konvents wurde die Trias Martyria – Diakonia – Liturgia wahrscheinlich erstmals formuliert und als kirchliches Leitwort erprobt.
2005 hat Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Deus caritas est den nämlichen Gedanken ganz ähnlich gefasst:
Das Wesen der Kirche drückt sich in einem dreifachen Auftrag aus: Verkündigung von Gottes Wort (kerygma – martyria), Feier der Sakramente (leiturgia), Dienst der Liebe (diakonia). Es sind Aufgaben, die sich gegenseitig bedingen und nicht voneinander trennen lassen.
Die Trias hatte in der Zwischenzeit, konfessionell betrachtet, ein eigenwilliges Schicksal erlebt. «Evangelisch ‹totgeschwiegen› – katholisch rezipiert», war sie im Vorfeld des II. Vatikanum in informellen ökumenischen Dialogen über das Kirchenschema evangelischerseits eingebracht worden. In den Konzilstexten selbst ist sie immerhin der Sache nach, allerdings nicht in terminologischer Ausdrücklichkeit zu finden. Theologie, synodale und pastorale Praxis der Nachkonzilszeit forcieren das Dreiergefüge jedoch wieder stark, sodass es heute ganz selbstverständlich als Ausdruck des konziliaren Kirchenverständnisses herangezogen wird:
Das sakramentale Wesen der Kirche gliedert sich in drei sakramentale Grundvollzüge: die Ausübung des prophetischen Amtes in der Martyria, des priesterlichen Amtes in der Leiturgia und des königlichen Amtes in der Diakonia.
Auch in der Pastoral dienen Bekenntnis, Caritas und Liturgie als heuristisches und konstruktives Leitbild: Sie gelten als die zentralen Dimensionen des Christseins, sie strukturieren Erstkommunion- und Firmkurse und pastorale Erneuerungsprozesse auf Gemeinde- und Bistumsebene. Immer wieder wird deutlich (gemacht): In Glaube, Bekenntnis und Verkündigung (Martyria), in praktizierter Nächstenliebe, individueller und organisierter Caritas (Diakonia), in Gotteslob, Gebet und Gottesdienst (Liturgia) geschieht Kirche. Hier erkennt sie ihre tragenden Säulen, ihr Wesentliches, das, wovon sie glaubt, dass sie es von Gott her tun und sein soll.
2. Apostolischer, königlicher und priesterlicher Dienst aller Getauften
Zwar werden Martyria, Diakonia und Liturgia im II. Vatikanischen Konzil nicht explizit zu einem Dreiergefüge zusammengestellt. Ausführlich wird jedoch ein verwandtes Gefüge, das munus triplex Christi, entfaltet und stark gemacht. Beide Ternare fußen auf demselben theologischen Fundament. Es geht um «kirchliche Handlungsmuster, in denen sich das Wirken Christi spiegelt und die deshalb unverzichtbar sind». Den kirchlichen Diensten der Verkündigung, der Leitung und der Heiligung misst das Konzil «sakramentale Dignität» zu. Es geht um eine Verschränkung von Christologie bzw. Soteriologie und Ekklesiologie. In allen drei Dimensionen konkretisiert sich, so die Überzeugung, das Heilswerk Jesu Christi, der Prophet, König und Priester genannt wird (z.B. Hebr 5, 1–5). Seit der Patristik werden diese Christus-Titel herangezogen, um die Würde derer zu beschreiben, die Christus durch die Taufe verbunden sind. Biblische Referenz ist 1 Petr 2, 9f:
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.
In der Neuzeit hatte man diese drei «Ämter» Christi in römisch-katholischer Lesart statt zur Beschreibung der Taufwürde v. a. zur Beschreibung des ordinierten Amtes herangezogen, also – mit entsprechender theologischer Fallhöhe – soteriologische Fragen eng mit amtstheologischen verknüpft. Das Konzil korrigiert diese sazerdotale Engführung des ordinierten Amtes und macht das dreifache Amt Christi wieder gesamtkirchlich fruchtbar: Durch die Taufe sind alle Gläubigen Christus einverleibt und seines prophetischen, königlichen und priesterlichen Amtes in gleicher Weise teilhaftig geworden (Konsequenzen für die Ökumene der Getauften wären erst noch zu ziehen). Das ist, wie Ludwig Schick gezeigt hat, ein echtes Novum in der lehramtlichen Rezeption der tria munera, das nur gegen Widerstände Eingang in die Konzilsdekrete gefunden hat. Martyria, Diakonia und Liturgia sind originäre Kompetenzen und Aufgaben aller Christen. Weder müssen die Getauften dazu durch einen Amtsträger ermächtigt werden noch kann eine Gemeinde diese Aufgaben an einen Kleriker delegieren und sich selbst davon freistellen. [...]
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