archivierte Ausgabe 4/2020 |
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Herausgeber und Redaktion |
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JOACHIM HAKE Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V. |
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URSULA SCHUMACHER
Professorin für Dogmatik an der Universität Luzern |
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JAN-HEINER TÜCK Professor für dog-
matische Theologie, Universität Wien |
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Herausgeber und Redaktionsbeirat stellen sich vor. |
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Lesermeinung von |
Anton Svoboda,
Dipl.-Theologe, Musiker
Lesen Sie hier |
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Leseprobe 1 |
DOI: 10.14623/com.2020.4.353–373 |
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Thomas Söding |
TEILNAHME ALS TEILHABE |
Ein paulinischer Leitbegriff der Kirche |
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Paulus hat die Kirche als Gemeinschaft des Glaubens entdeckt und entwickelt. Er hat verstanden, dass durch den Glauben, der zur Taufe führt und aus der Taufe lebt, alle Grenzen überwunden werden, die durch Geschlecht, Herkunft, Status oder Religion gesetzt werden, so dass eine neue Einheit entsteht, die durch den einen Gott geprägt wird (Gal 3, 26-28; 1 Kor 12, 13; vgl. Kol 3, 11). Der Glaube ist immer eine ganz persönliche Entscheidung, die jeder Mensch nur in Freiheit treffen kann (vgl. Gal 5, 1-13); er ist zugleich eine soziale und kommunikative Größe, weil er mit all den anderen Menschen verbindet, die ihrerseits mit Jesus auf Gottes Wort hören und ihr Herz vom Geist Gottes erfüllen lassen (vgl. Gal 2, 15-16; Röm 1, 8-17).
1. Die theologische Herausforderung
Jeder Blick in die Briefe des Apostels zeigt, wie konflikt- und energiereich die Gemeinschaft des Glaubens ist, die er «Kirche» nennt, ἐκκλησία (ekklesia): die Verbindung derer, die Gottes Berufung gefolgt sind. Die Gemeinschaft der Kirche bringt die Vielfalt der Glieder in der Einheit des Leibes Christi zur Geltung und lässt die Einheit der Kirche in der Vielfalt der Menschen, ihrer Begabungen und Verantwortungen lebendig werden (1 Kor 12, 12-27; Röm 12, 4-5). Mit der Orientierung im Glauben ist verbunden, dass Interpretation und Kontroverse, Auseinandersetzung und Verstehen, Differenzierung und Kooperation zum Leben der Kirche gehören: in der Suche nach der Wahrheit des Evangeliums (Gal 2, 4). Der Gottesdienst ist von dieser Suche geprägt, die Verkündigung und die Diakonie. Weder der missionarische Aufbruch und die herzliche Beziehung der Gläubigen untereinander noch die untrennbare Verbindung von Philosophie und Theologie, von Religion und Ethos wären ohne die Orientierung im Glauben möglich.
Nicht allein Paulus hat die Gemeinschaft des Glaubens beschrieben und gefördert. Nach der Apostelgeschichte hat die Urgemeinde sie gelebt (Apg 2, 42), auch durch großzügige Spenden aus dem eigenen Vermögen (Apg 2, 43-47; 4, 32-37). Der Hebräerbrief verbindet sie mit dem Tun des Guten, um das Ethos auf das Evangelium abzustimmen (Hebr 13, 16). Die johanneische Schule hat sie theologisch tief begründet: als ekklesiale Gemeinschaft, die in der Gemeinschaft mit Gott begründet ist (1 Joh 1, 3-7). Bei Paulus finden sich aber nicht nur die meisten, sondern auch die ältesten Belege. Seine communio-Ekklesiologie hat den stärksten Nachhall, allerdings auch die meisten Kontroversen ausgelöst.
Heute wird neu nach der Art der Gemeinschaft gefragt, die die Kirche zur Kirche macht. Welche Rechte und Pflichten, welche Gaben und Aufgaben, welche Beiträge und Ansprüche Einzelner kommen in der communio der Kirche zur Geltung? Welche Rolle spielt die kirchliche Gemeinschaft in der Förderung von Freiheitsrechten ihrer Mitglieder, zumal der Diskriminierten, innerhalb wie außerhalb der Gemeinschaft? Welche Formen der Beteiligung am Leben der Kirche sind möglich und notwendig? Wie werden sie aufeinander bezogen und miteinander vermittelt? Wie setzen sich Einzelne für das Ganze der Kirche ein, mit welchen Gaben und Aufgaben, in welchen Rollen und Diensten?
Ein Schlüssel, um die Fragen zu beantworten, ist Partizipation: Teilhabe und Teilnahme – geteilte Verantwortung, geteilte Erfahrung, geteilter Glaube. Wie Partizipation zu verstehen und zu gestalten ist, zeigt, auf welche Weise der Glaube die Kirche zusammenhält und wachsen lässt. Durch die Art der Partizipation unterscheidet sie sich von anderen Gemeinschaften; durch die Qualifizierung von Teilhabe und Teilnahme kann sie sich in einer Welt demokratischer Freiheiten und undemokratischer Unterdrückungsregimes als weltweite Gemeinschaft organisieren, die Gottes- und Nächstenliebe verbindet, Heilshoffnung und Lebenssinn, Freiheit und Solidarität.
Die Kirche muss die Versuchung erkennen, die gerade in ihrem Anspruch begründet ist, Gott mitten in der Welt eine Stimme zu geben, und ihre Sünden bekennen, die aus dem Missbrauch des Vertrauens resultieren, das ihr entgegengebracht wird und das sie für das Evangelium einfordern muss; die Kirche darf sich aber nicht wegducken, sondern hat die Aufgabe, öffentlich die Stimme für die Freiheit des Glaubens zu erheben und intern den Glauben an das Evangelium so zu vermitteln, dass seine befreiende Kraft erfahren werden kann. Die Förderung von Partizipation aller Kirchenmitglieder auf allen Ebenen kirchlichen Lebens ist die beste Prophylaxe gegen Missbrauch und die wichtigste Voraussetzung, die Ressourcen zu nutzen, die ihr – so ihr Glaube – Gott schenkt. Sie ist gewiss nicht ein Allheilmittel gegen die Glaubenskrise, von der die Kirche vielerorts durchgeschüttelt wird. Aber sie schafft bessere Voraussetzungen dafür, die Kommunikation des Evangeliums dadurch zu fördern, dass diejenigen, die über Kontakte und Kompetenzen verfügen, besser zu Wort kommen.
2. Die paulinische Begriffsbildung
Paulus hat die Glaubensgemeinschaft der Kirche auf den Begriff gebracht. Dieser Begriff heißt auf Griechisch koinonia (κοινωνία), auf lateinisch: communio. Er hat eine philosophische Prägung, die ekklesiologisch präzise ist. Eine koinonia ist jene Form von Zusammengehörigkeit, die nicht durch eine wechselseitige Absprache der Beteiligten zustande kommt, sondern von einem Dritten im Bunde gestiftet ist. Im Fall der kirchlichen communio ist dieser Dritte der Erste: Gott selbst, der Vater, zu dem man beten kann (Gal 4, 6; Röm 8, 15), Jesus Christus, der Sohn, der als Mensch erschienen ist, um die Menschen mit Gott zu versöhnen (2 Kor 5, 15-21), der Heilige Geist, der ihnen die Gaben verleiht, in der Kirche mitzuarbeiten.
Aus diesem Grund wird Gemeinschaft durch Teilhabe und Teilnahme geprägt. Eucharistietheologisch hat Paulus die Begriffe präzise aufeinander bezogen: «Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht Gemeinschaft (κοινωνία) des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Gemeinschaft (κοινωνία) des Leibes Christi? Weil es ein Brot ist, sind wir Vielen ein Leib; denn wir alle haben Teil (μετέχειν) an dem einen Brot» (1 Kor 10, 16-17). Die Gemeinschaft entsteht durch Teilhabe, deren Ermöglichung die Hingabe ist, die Jesus im Letzten Abendmahl feiert, auf das sein Tod das Leben bringt (1 Kor 11, 23-26). Die Teilhabe wird durch Teilnahme realisiert, die Paulus kritisch organisiert (1 Kor 11, 17-34). Umgekehrt gilt: Tätige Teilnahme konkretisiert die Teilhabe, die aus der Anteilgabe folgt und die Gemeinschaft prägt: als soziale Größe, die im Zuge des Heilswirkens Gottes entsteht und seine Gnade weiterzugeben berufen ist.
Paulus entwickelt den Begriff der Gemeinschaft und der Teilhabe in einem sprachlichen und kulturellen Umfeld, das stark durch die griechische Philosophie geprägt ist. So wenig die Verwurzelung auch der paulinischen Ekklesiologie in der Bibel Israels übersehen werden kann, so viele Bezüge entstehen in der Koine zur Kultur derer, die das Evangelium in ihrer eigenen Sprache hören und weitergeben sollen, mitten unter den Völkern. Das hellenistische Judentum hatte bereits die Kulturreise angetreten; Paulus weitet sie aus, weil er sich – so der symbolische Ort, den Lukas in der Apostelgeschichte gestaltet – auf den Areopag begibt, in den Diskurs mit der Philosophie, in die politischen Auseinandersetzungen der Zeit. [...]
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