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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/com.2022.5.509–524
Thomas Staubli
GOTT UND MENSCH IM BILD DER TIERE
Tiertheologie im «Bildarchiv» Jerusalems
Die systematische Theologie tut sich schwer mit Resultaten der Kulturwissenschaften, zu denen auch jene biblischen Forschungen gehören, die sich intensiv mit Genese und Sinn der «Heiligen Schriften» in ihrem Entstehungskontext auseinandersetzen. Im Zusammenhang mit dem Mensch- Tier-Verhältnis führt sie den Dialog lieber mit einer Naturwissenschaft, die sich ihrerseits schwer tut mit historischen Kategorien. So lassen sich die Konstruktion von geschichtsloser, ewiger Physik/Natur und geschichtsloser, ewiger Metaphysik/Gott leichter aufrechterhalten. Doch die kulturwissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte führten zu einer neuen Wahrnehmung. Die Grenzen zwischen der Geschichte der Atome, Moleküle und ihrer Reaktionen (Chemie), der Organismen (Biologie) und des Organismus Homo sapiens (Historie) sind relative Grenzen geworden. So jedenfalls sieht es der Historiker Yuval Noah Harari in «Eine kurze Geschichte der Menschheit», einem Buch, das auf enorme Resonanz stieß. Das, was wir Natur nannten und der Kultur gegenüberstellten hat selber eine Geschichte und umgekehrt, das, was wir als Menschenwelt, als Zivilisation, auszugrenzen versuchten, erscheint im Anthropozän geradezu als geologische Formation eines Planeten, seinerseits winziger Teil eines Universums, im ständigen Wandel über Milliarden von Jahren. Es mag für eine Theologie, die sich als Leuchte der übrigen Wissenschaften versteht, entwürdigend sein, sich plötzlich als ein zeitbedingtes Phänomen neben anderen – etwa der heute dominanten «Religion des Kapitalismus» – erkennen zu müssen. Aber Christinnen und Christen, die sich nicht fundamentalistisch einkapseln, sind gerade dabei, diese Erfahrung zu machen.

Die Fehlurteile, die selbst in neusten systematisch-theologischen Publikationen zum Tier-Mensch-Verhältnis kolportiert werden, sind gravierend, wie ein paar Beispiele illustrieren mögen. Offenbar sei «es für Tiere leichter, Götter zu werden als Menschen», wird da konstatiert. Tatsache ist, dass wir in der hebräischen Bibel eine starke Tradition von menschlichen Tiernamen feststellen, also eine Wertschätzung von Tieren und ihren spezifischen Qualitäten, die so weit geht, dass Menschen ihrem Nachwuchs Tiernamen geben. Nicht weniger als 79 Namen dieser Art finden sich im Ersten Testament, darunter solche wie Heuschrecke (Geschem), Esel (Hamor), Hund (Kaleb), Klippschliefer (Schafan) oder Kaulquappe (Hofni). Eine ganze Reihe dieser Namen wird bis heute von Juden und Christinnen weiterverwendet: Rebekka (Kuh), Lea (Kuh), Rahel (Mutterschaf), Jaël (Steingeiss), Debora (Biene), Jona (Taube), Simon (kleiner Hyänenhund)… – ein starkes Vermächtnis der kanaanäischhebräischen Kultur und ein Gegenstück zum europäischen Schimpfwörterzoo (Esel, Gans, Kuh, Ziege, Schwein, Schnepfe…).

«Zur Frage nach dem Übergang vom Tier zum Menschen hat das Christentum jedoch nichts zu sagen», wird behauptet. Sollte ein Christentum das behaupten, dann ohne die Bibel gelesen zu haben. Mit dem Wissen und den Ausdrucksmöglichkeiten der Wissenschaft des 6. Jh. v. Chr., drücken die VerfasserInnen ihre Wahrnehmung der Nähe zwischen Mensch und Tier dadurch aus, dass sie am selben Tag erschaffen worden seien (Gen 1, 24-31) und dass Gott der Auffassung gewesen sei, dass die Tiere ein dem Erdling ebenbürtiges Gegenüber seien und seine Einsamkeit beheben könnten (Gen 2, 18-20). Eindringlicher konnte man die Verwandtschaft und Schicksalsgemeinschaft von Mensch und Tier damals wohl kaum beschreiben. Gleichzeitig sind diese Texte so ehrlich und realistisch, dass sie die Dominanzfähigkeit des Menschen über die Tierwelt nicht verschweigen (Gen 1, 28). Und schon damals bedauerten die Menschen die Entfremdung zwischen Mensch und Tier zutiefst. Dies kommt im Motiv des Irrtums Gottes zum Ausdruck, der glaubte, dem Erdling mit den Tieren einen ihm ebenbürtigen Partner geschaffen zu haben. Dramatischer als mit diesem göttlichen trial & error konnte das tragische Verhältnis zwischen Menschen und Tieren damals nicht thematisiert werden.

Tiere als Zeichen der Heiligkeit

Besonders gravierend ist die hartnäckige Behauptung, das Alte Testament sei für die Entfremdung zwischen Mensch und Tier verantwortlich. «Die enge Verbindung zwischen Tier-Erfahrung und Religion hat sich im Alten Testament weitgehend aufgelöst. Was Tiere von der Transzendenz sagen können, in der Hebräischen Bibel bleibt es ausgespart» (ebd., 126). Diesem Klischee mit antijudaistischem Potential ist erneut deutlich zu widersprechen. Das pure Gegenteil ist der Fall. Gerade wenn in Theophanietexten die für Menschen faszinierend-erschreckende Andersartigkeit Gottes ausgedrückt werden soll, sind Tiere – zumal in vorhellenistischer Zeit – in der Bibel fast unabdingbar. Die Heiligkeit Gottes wird evoziert durch eine von Tieren wimmelnde Sphäre, zu der Schlangen, aber auch Löwen, Stiere und große Vögel gehören (Keel 1977 und 1978). Jesaja (Kap. 6) sieht Gott umgeben von geflügelten Schlangen, die seine Heiligkeit verkünden mit eben jenem Gesang, der bis heute auf dem Höhepunkt der Eucharistie der Wandlung vorausgeht. Von Löwen, Stieren und Geiern ist Ezechiels Gottesschau bevölkert (Kap. 1), von Straußen, Onagern und Steinböcken und vielen anderen Wildtieren die Gottesreden an Ijob (Kap. 39). Die Verdrängung dieser Tierpräsenz durch Theologen beginnt schon bei den Übersetzungen, die sich scheuen, das Wort Seraphim in Visionszusammenhängen mit «Schlangen» zu übersetzen. Bis heute zeigen in den Sanctusliedern mit den Cherubim und Seraphim geflügelte Löwen und Schlangen Gottes Heiligkeit an und fordern den gebührenden Respekt ein. Auch das für die Speisegebote so wichtige, drei Mal wiederholte Verbot, das Böcklein in der Milch seiner Mutter zu kochen, gründet in der Begegnung mit dem Heiligen in der Tierwelt, nämlich der Ehrfurcht vor der Mutter-Kind-Beziehung.

Tiere in der Bildwelt der Levante

Über die Bibel hinaus erlauben uns heute die vielseitigen Erschließungen durch die Archäologie neue Einblick in den alten Orient. In der kürzlich erschienenen «Encyclopedia of Material Culture in the Biblical World» bzw. «New Biblisches Reallexikon» listet Jürg Eggler sechzig Tiere auf, die in der Levante auf Bildträgern zwischen ca. 1750 und 300 v. Chr. zur Darstellung gelangten und in offiziellen Ausgrabungen zu Tage gefördert wurden. Sie werden im Folgenden nach Häufigkeit aufgelistet. [...]


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