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Herausgeber und Redaktion |
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JOACHIM HAKE Direktor der Katholische Akademie in Berlin e.V. |
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URSULA SCHUMACHER
Professorin für Dogmatik an der Universität Luzern |
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JAN-HEINER TÜCK Professor für dog-
matische Theologie, Universität Wien |
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Herausgeber und Redaktionsbeirat stellen sich vor. |
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Lesermeinung von |
Anton Svoboda,
Dipl.-Theologe, Musiker
Lesen Sie hier |
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Leseprobe 3 |
DOI: 10.14623/com.2023.4.443–458 |
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Walter Kardinal Kasper |
DIE MESSIANISCHEN JUDEN – EIN «NACH VORNE WEISENDES ZEICHEN» |
Walter Kardinal Kasper im Gespräch mit Jan-Heiner Tück |
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An der Universität Wien hat im Juli 2022 eine internationale Tagung zum Gespräch zwischen christlicher Theologie und messianischem Judentum stattgefunden. Das Gespräch ist delikat, da die messianischen Juden gewissermaßen zwischen allen Stühlen sitzen. Offizielle Vertreter des Judentums sprechen ihnen ab, Juden zu sein, da sie an Jesus den Messias glauben. Die christlichen Kirchen bleiben reserviert, da sie den offiziellen jüdisch-christlichen Dialog nicht gefährden wollen. Auch die Päpstliche Kommission für die besonderen Beziehungen zum Judentum hat, wenn ich recht sehe, bislang keine offiziellen Kontakte aufgenommen.Warum? Walter Kardinal Kasper: Wie Sie zurecht sagen: Ich war in dem Jahrzehnt von 1999 bis 2010 Präsident der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen mit den Juden. Es war die spannendste und herausforderndste Zeit meines gesamten beruflichen Lebens. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) hatte nach schwierigen Auseinandersetzungen mit der Erklärung Nostra aetate (1965) im Verhältnis zwischen Juden und Christen eine der erstaunlichsten Neuorientierungen in der 2000-jährigen Geschichte der Kirche vollzogen und alle Formen des Antisemitismus der Vergangenheit wie der Gegenwart verurteilt.
Die Trennung zwischen Juden und Christen ist nach Erich Przywara das «Urschisma» der Kirchengeschichte; nach den Worten von Kardinal Christoph Schönborn ist sie «die tiefste Wunde am Leib Christi». Aus dem Schisma wurde eine jahrhundertelange Entfremdung, ja Verachtung, Unterdrückung und Verfolgung. Sie erreichten ihren Tiefpunkt während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) in der Shoah, dem vom nationalsozialistischen Staat geplanten, organisierten und kaltblütig durchgeführten Versuch der Vernichtung des europäischen Judentums, dem etwa sechs Millionen Juden zum Opfer fielen. Der Schock über dieses himmelschreiende Verbrechen führte nach 1945 in fast allen Kirchen zu einer grundlegenden Neubesinnung (metanoia) und zu einer tiefen Umkehr (teshuva).
Die 1974 von Papst Paul VI. errichtete Kommission für das religiöse Gespräch mit den Juden hat die Aufgabe, die Last einer jahrhundertelangen, weithin dunklen Geschichte aufzuarbeiten und auf der vom Konzil gelegten Grundlage ein neues Miteinander von Juden und Christen zu fördern. Der Aufbau eines neuen ehrlichen Dialogs und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit verlangten besonders von uns Christen Rücksicht und Sensibilität für den jüdischen Partner.
Wir einigten uns darauf, unsere Unterschiede gegenseitig zu respektieren, in den Gesprächen aber von dem auszugehen, was uns gemeinsam ist: der Glaube an den einen Gott und Schöpfer sowie die Zehn Worte (Zehn Gebote) und deren Bedeutung für den gemeinsamen Einsatz für eine bessere und menschlichere Welt.Trotz manchen Schwierigkeiten kamen wir insgesamt gut voran. Bei Papst Johannes Paul II., der als erster Papst am 13. April 1986 die römische Großsynagoge besuchte, fanden wir kraftvolle Unterstützung. Inzwischen gehören freundschaftliche Begegnungen und Dialoge zwischen Juden und Christen auf allen Ebenen weltweit zum Alltag der meisten christlichen Kirchen. Aus Feinden wurden Freunde.
Für diese Entwicklung kann man nur dankbar sein – und die Rückbesinnung auf das Gemeinsame ist nach der Geschichte der «Verfreundung» und «Verfeindung» bleibend wichtig. Dennoch beginnt das wirkliche Gespräch zu stocken, wenn Differenzen irenisch ausgeklammert bleiben. Die jüdische Reserve, theologische Lehrfragen anzugehen, und das christliche Votum für einen «christologischen Besitzverzicht» werden durch die messianischen Juden, die sich offen zu Christus bekennen, in Frage gestellt. Das ist für das weitergehende Gespräch durchaus eine theologische Provokation – oder? Kasper: Ja, die grundlegende Frage, die uns trennt, war mit der Fokussierung auf das Gemeinsame nicht berührt. Für die dem World Jewish Congress nahestehenden orthodoxen und konservativen jüdischen Partner gehörte das Nein zur Messianität Jesu zur jüdischen Identität, für Christen dagegen war und ist die Glaubensüberzeugung konstitutiv, dass Jesus der Christus, d.h. der erwartete Messias, der Sohn Gottes und das Heil der Welt ist. Für das jüdische Selbstverständnis konnte es darum ein messianisches Judentum nicht geben. Noch mehr, da die Erinnerung an frühere Zwangskatechesen im jüdischen Bewusstsein noch immer lebendig war, bestand bei vielen Juden der Verdacht, dass der Dialog womöglich nichts anderes sein könnte als Mission bzw. Proselytismus mit anderen Methoden. Diese Gefahr schien vielen Juden noch gefährlicher als die Shoah. Die Shoah drohte die physische Existenz des Judentums auszulöschen, der Dialog über Jesu Messianität und erst recht das messianische Judentum wurde und wird teilweise noch von vielen Juden als Gefahr für die religiöse und kulturelle Identität des Judentums als das aus erwählte Volk Gottes und damit als Gefahr einer neuen Art von Holocaust wahrgenommen.
Wegen der sehr ausgeprägten Sensibilität des Judentums war der Päpstlichen Kommission für den Dialog mit den Juden ein direkter Kontakt mit den messianischen Juden nicht möglich. Doch das konnte kein grundsätzliches Gesprächsverbot bedeuten. Da ich wusste, dass sich Kardinal Christoph Schönborn in einem informellen Dialog mit den Messianischen Juden befasst, ließ ich mich, ohne in irgendeiner Weise selbst tätig zu werden, durch einen seiner Mitarbeiter über diesen jüngeren Zweig des Judentums informieren. Alles hat und braucht seine Zeit.
Wie würden Sie das Gespräch mit den messianischen Juden im Panorama der gewandelten Beziehungen zum Judentum heute einordnen? Sollte die Katholische Kirche darüber nachdenken, ein offizielles Gesprächsformat aufzusetzen? Kasper: Es handelt sich, wie ich inzwischen weiß, um eine relativ kleine, aber wachsende und ernstzunehmende, in sich pluralistische Gruppe von Juden, welche von der besonderen Erwählung des jüdischen Volkes überzeugt sind und an der Thora, dem jüdischen Gesetz, festhalten, aber an Jesus als den erwarteten Messias und Retter der Welt glauben. Statistisch ist es nicht leicht, sie zahlenmäßig zu erfassen, man schätzt zwischen 150.000 und 250.000 Mitglieder. [...]
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